Gliesmarode

Geplündert, verwüstet, niedergebrannt

Wappen von Gliesmarode

Mit der Magniurkunde findet auch Gliesmarode 1031 seine erste urkundliche Erwähnung. Abgeleitet vom Personennamen Glismoth (glisian = glänzen, mod = Mut, roth = roden) entsteht der Ortsname Glismoderoth. Im Laufe der Jahrhunderte wird er häufig abgewandelt. Mundartlich, also plattdeutsch, sagte man noch zu Beginn des 20.Jahrhunderts "Glissenroe".

Ob es sinnvoll war, so nah an der Stadt zu roden, wird besonders im späteren Mittelalter gefragt worden sein. Denn bei den Kriegen zwischen den Truppen des Herzogs und denen der Hansestadt ist Gliesmarode zwischen 1492 und 1606 mehrmals geplündert, verwüstet und niedergebrannt, aber immer wieder aufgebaut worden. Mal soll man die Herzoglichen, mal die Braunschweiger unterstützt haben.

Groß kann die Unterstützung nicht gewesen sein. Denn nach der Dorfbeschreibung des Klosterdorfs Gliesmarode stellt H.A.Boden 1754 fest, dass die Dorfschaft aus 84 Einwohnern und 11 Feuerstellen auf 9 Höfen besteht.

Inzwischen war längst, schon 1226, das Dorf in den Besitz des Klosters Riddagshausen gekommen. Die Arbeiter der Mönche legten Entwässerungsgräben (Mittelriede) und einen Wirtschaftshof (an der Wabe) mit Wassermühle an. Etwas später wurde aus Wabe und Mittelriede die Landwehr, die vornehmlich Vieh, Weiden und Felder der Städter schützen soll. Um 1406 liest man erstmalig vom Gliesmaroder Thurm, einem Befestigungswerk.

Durch die Ablösung der Feudalverhältnisse 1832 kamen die Bauern im Braunschweiger Land zu bescheidenem Wohlstand. Ihre Produkte mussten verarbeitet und veredelt werden. Handwerker kamen in den Ort. 1885 wohnten schon 530 Einwohner in 40 Wohngebäuden. Es gab 14 Hofstellen.

1878 teilten zwei Schlachter aus der Schöppenstedter Straße dem Gemeindevorsteher mit, dass sie Land gekauft hätten und ein Fabrikgeschäft für Wurst- und Fleischwaren eröffnen wollten. Denecke und Himmel, später Struck und Witte prägten den Begriff der Braunschweiger Wurst. 1904 eröffneten die Studienfreunde Pelz und Nagel das Libra-Werk und produzierten Absackwaagen für Schüttgüter. Ein paar Jahre später, 1915, verlegte die Firma Voigtländer ihren Betrieb für optische Geräte in Etappen aus der Campestrasse nach Gliesmarode.

Nicht nur die weit über die Landesgrenzen bekannten Firmen  brauchen Verkehrsanschlüsse. Drei Eisenbahnen legten ihre Strecken über Gliesmarode und im Schatten ihrer drei Bahnhöfe entstanden Sägewerke, Kohlenhandlungen, Dünger-, Blechwaren-, Eisenbeton- und Konservenfabriken. 1905 lebten 1171 Einwohner in 83 Wohngebäuden.

Und alle, alle brauchten Trinkwasser. Das kam bisher aus den grundstückseigenen Brunnen. Als die Städter am Bienroder Weg das durch Tiefbohrungen erschlossene zweite Wasserwerk in Betrieb nahmen, fielen 1907 in Gliesmarode alle Brunnen trocken.     

Mit Tieferlegen kam keine Verbesserung. Ernstlich wurde dem Gemeinderat empfohlen, ein eigenes Wasserwerk zu bauen. Und das zu einer Zeit, als gerade 13000 Mark Kredit bewilligt wurden, um die Schule zu erweitern. Denn über 200 Schülerinnen und Schüler mit zwei Lehrkräften in zwei Unterrichtsräumen ging schon damals schlecht. Auf Drängen der Kreisdirektion war schließlich 1909 die Stadt bereit, mit der Gemeinde einen Wasserlieferungsvertrag abzuschließen. Die Frage der Eingemeindung wurde hiernach 1910 erstmalig gestellt. Die wurde 1934 vollzogen und brachte wenige Verbesserungen (Ausbau der Berliner Straße und Bau der Bugenhagenkirche) für die Einwohnerschaft.

Die rasante Entwicklung Gliesmarodes macht auf eindrucksvolle Weise den Wandel eines Bauerndorfes zum Industriestandort zu Beginn des 20.Jahrhundert deutlich. Aber auch die sich schon in den 60er Jahren abzeichnende Kurve der De-Industrialisierung ist nachvollziehbar. Trotz aller Veränderungen und Entwicklungen bleibt Gliesmarode ein von Naherholungsgebieten umgebener und von der Wabetalaue durchzogener Stadtteil mit hohem Wohnwert.

Manfred Reese

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