Lehndorf-Siedlung

Luftbild Lehndorf© Foto: Dieter Heitefuß

Das großflächige Anwachsen der Großstädte in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die rasche Entwicklung der Industrie hatte nicht nur Braunschweig über seine mittelalterlichen Grenzen - die alten Oker-Umflutgräben und Stadtwälle - hinauswachsen lassen, sondern besonders zu einer nicht weiter zu verantwortenden Verdichtung der Innenstadtbebauung geführt. Eine Stadtentkernung war geboten und wurde seit den 20er Jahren des 20sten Jh. im Zusammenhang mit einer weiträumigen Stadterweiterung intensiv vorbereitet. In diesem Zusammenhang entstand unter anderen seit 1934 auch die Siedlung Lehndorf. Zu diesem Zweck wurde Lehndorf am 1. 4. 1934 mit anderen Dörfern offiziell eingemeindet und erhielt mit anderen Stadtteilen ein neues Wohngebiet. Mit einem Ersten Spatenstich am 21 März 1934 wurde der Bau der Siedlung Lehndorf feierlich mit der nun ganz nationalsozialistischen Parole der „2. Arbeitsschlacht“ gegen die Arbeitslosigkeit begonnen und bereits im Dezember 1934 konnten die ersten etwa 2000 Bewohner einziehen, die mit sehr viel Eigenarbeit und der empfohlener Nachbarschaftshilfe ihre Siedlerhäuser fertiggestellt hatten

Großbaustelle Nachbarschafthilfe© Fotograf unbekannt

Die Siedlung Lehndorf ist nunmehr über sechzig Jahre alt und noch immer vorbildlich. Sie ist eingegrünt, gut überschaubar, mit allem Notwendigen versorgt, an die Stadtmitte mit guten Verkehrsmitteln angebunden, jedes Haus gut mit dem eigenen PKW erreichbar. Die Einwohner sind zusammen- gewachsen. Sie haben die schweren Jahre der Kriegs- und Nachkriegszeit miteinander durchgestanden. Auch hier hat sich der Nachkriegswohlstand erkennbar ausgewirkt: aus den kleinen „Siedlerhäusern“, von denen einige ursprünglich am Giebel mit dem Nachbarn verbunden sind, wurden stattliche Einfamilienhäuser. Die ehemaligen Ställe für das erwünschte Schwein und die Hühner sind Kinderzimmer und Gartenterrassen geworden. Nur wenige Häuser haben das Gesicht aus der Erbauungszeit behalten, als ein „Neusiedler“ für eine Kredittilgung von 32,50 Reichsmark, entsprechend einer Miete, das Eigentum an der propagierten „eigenen Scholle“ erwerben konnte. Auch an diesen nationalsozialistisch umgeprägten Parolen lässt sich im Kern die Altstadtsanierung Braunschweigs, aber auch die weltweiten modernen Leitmotive modernen Städtebaus ablesen. Da sind die Gedanken des eingeschossigen Wohnens mit dem eigenen Grün - noch heute das allgemeine Wunschbild - da ist die sinnvolle Durchmischung unterschiedlicher Generationen, ebenso wie unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen durch das Einbeziehen von Mietbebauung, in Lehndorf z.B. entlang der Saarstraße. Da finden sich ebenso kleine, größere und große, zum Teil zweigeschossige Einfamilienhäuser, die eine Austauschbarkeit der Wohnung im Alter in der gewohnten Umgebung ermöglichen.

Verschiedene Siedlungshäuser© Fotos: G. Ruben

Durch die unterschiedliche Stellung der Häuser im Straßenraum, mal mit dem Giebel, mal mit der Traufe zur Straße, einmal mit, ein andermal ohne Vorgarten, erhielt jede der Straßen ein unterschiedliches Erscheinungsbild, als heimatlicher Wohnbereich erkennbar.
Durch viele Veränderungen der Nachkriegszeit, um engen Wohnraum zu erweitern, ist die geordnete Vielfalt des ursprünglichen Strassenbildes in Lehndorf kaum mehr zu erkennen, die ehemaligen Ansichten stark verändert.

Häuser mit vergrößerter Wohnfläche© Fotos: G. Ruben

Im Gegensatz zur Siedlung Mascherode, der sogenannten Südstadt war Lehndorf nicht zu einer offiziellen „Mustersiedlung des Nationalsozialismus“ erklärt worden. Haben doch hier auch unter den ersten Bewohnern, der für 6000 Einwohner geplanten und gebauten Siedlung Lehndorf etliche Familien gelebt, die Angehörige der beiden von den Nationalsozialisten verbotenen Parteien der Kommunisten und der Sozialdemokraten waren. Allein sieben Familien haben nachweisbar unbeschadet und ohne Eingriffe in ihren Siedlerstatus mit Darlehen und Grunderwerb die Jahre überstanden und sind zum Teil noch heute in Lehndorf ansässig.

Im Sommer 1935 besuchte Adolf Hitler bei seinem unangemeldeten Überraschungsbesuch auch die Siedlung Lehndorf. Mit großem Geleit der örtlichen nationalsozialistischen Prominenz fuhr er durch das Spalier Hunderter von Braunschweigern. Unmittelbar daran besichtigte er für etwa 20 Minuten die Siedlung Lehndorf ohne jedoch auszusteigen. In ihrem nordwestlichem Teil hatten hier im Sommer 1935 schon mehr als 2000 Bewohner auch ihre Gärten bereits eingerichtet.– (Mehr dazu: „Bitte mich als Untermieter bei Ihnen anzumelden!“ Hitler und Braunschweig ISBN (siehe Heimatpflegerin G. Ruben)

Heute ist die Siedlung Lehndorf ein gelungenes Beispiel besten Städtebaus in Deutschland aus der ersten Hälfte des 20sten Jahrhunderts, der seinen Bewohnern eine heimatliche Identität vermitteln kann. Allerdings kann nicht übersehen werden, dass viele Veränderungen der schlichten Einfamilienhäuser, in den letzten Jahrzehnten - um den Raumbedarf der Familien zu befriedigen -  dem Gesamtbild der Siedlung schadeten.

Wie viele Siedlungen der Zeit nach dem ersten Weltkrieg ist auch die Siedlung Lehndorf als ein Ort „im Grünen“ zu bezeichnen. Noch immer umschlossen von bewirtschafteter Feldmark und den großen Buchenwäldern des „Ölper Holzes“ und des „Pawelschen Holzes".

G. Ruben

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