Die Luftschutzbunker in Braunschweig
Braunschweig mit dem Salzgittergebiet gehörte zu den 61 Luftschutzorten, die entweder auf Grund ihrer Größe (mehr als 100.000 Einwohner), der strategischen Bedeutung oder als Standort rüstungsrelevanter Produktion als besonders gefährdet eingeschätzt wurden. Inmitten der Industrieachse Salzgitter-Wolfsburg war Braunschweig ein industrielles Zentrum, das von den Machthabern des "Dritten Reiches" als bedeutendes Rüstungs- und Forschungszentrum ausgebaut worden war.
In diesen Städten sollten bombensichere und gasdichte Luftschutzbunker errichtet werden. Bereits am 31. Oktober 1940 erteilte der Braunschweiger Oberbürgermeister einer Braunschweiger Baufirma für das erste Bunkerprojekt den Bauauftrag.
Nach den technischen Vorgaben der ersten Bauwelle (Sicherheit für 300 kg Bomben) wurden in Braunschweig 22 Luftschutzbunker erstellt. Weitere 10 sind nach den Maßgaben der zweiten Bauwelle (Sicherheit für 1000 kg Bomben) geplant worden. Davon wurden jedoch nur zwei Bauwerke fertig gestellt.
Die Luftschutzbunker waren bei den Alarmen seit Anfang 1944 bis zum Fünffachen ihrer Planungskapazität überbelegt. Die Aufenthaltsdauer der Menschen in den Luftschutzbunkern war recht unterschiedlich. Da Braunschweig auf der "Bomber-Allee" nach Berlin lag, wurde auch bei jedem dieser Überflüge "Alarm" gegeben. Die Verweilzeiten waren dann relativ kurz.
Bei den Angriffen auf Braunschweig hielten sich die Schutzsuchenden häufig mehrere Stunden im Bunker auf. Der Angriff am 15. Oktober 1944 führte durch den Flächenbrand in der Innenstadt zum Einschluss der dort befindlichen Bunker. In den gasdicht verschlossenen, überfüllten Bunkern wurde mit fortschreitender Zeit der Sauerstoff in der verbrauchten Luft immer knapper, da die Belüftungsöffnungen wegen der Gefahr eindringender Rauchgase verschlossen waren. Die Feuerwehr konnte die Menschen erst nach mehr als 6 Stunden mit der Hilfe von Wassergassen retten.
Die Braunschweiger Luftschutzbunker haben ihre Aufgabe erfüllt und Menschenleben geschützt. Viele Bunker sind mehrfach von Bomben getroffen, aber keiner ist von einer Bombe durchschlagen worden. Wo dies anderenorts geschah, war die Zahl der Todesopfer sehr hoch.
Unmittelbar vor der Kapitulation haben die Braunschweiger zwei bis drei Tage im Luftschutzbunker verbracht.
Bei Kriegsende war die Stadt Braunschweig in ihrem Innenstadtbereich zu 90% zerstört. Braunschweig, welches im Grenzgebiet zur Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) lag, war Anlaufstation für viele Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten.
Untergebracht wurden die Flüchtlinge und Vertriebenen in sieben Bunkern, fünf Durchgangslagern und in 13 Wohnlagern.
Die Zustände in den Bunkern, in denen die Menschen oft jahrlang verblieben, waren alles andere als angenehm. Dicht gedrängt lebte man dort im Dunkeln, oft auch im Feuchten – ohne ausreichende Sanitär-, Wasch- und Küchenräume. Eine Privatsphäre ließ sich dort kaum aufbauen.
Abgesehen davon, dass Bunker als Flüchtlingsquartiere, Obdachlosenasyle oder auch für den Katastrophenschutz verwendet wurden, gab es in der Nachkriegszeit auch andere Nutzungen. Viele Bunker dienten in unmittelbarer Nachkriegszeit als Magazine für Lebensmittel, Möbel, Kleider, Baumaterialien etc. Der Umbau zu Wohnzwecken erfolgte bei zwei Bunkern Ende der 1940er-Jahre. Auf einem anderen Bunker wurde das erste Braunschweiger Hochhaus 1952 errichtet.
In einer weitgehend zerstörten Stadt waren natürlich Übernachtungsplätze für Reisende rar, so wurden aus Luftschutzbunkern Bunker-Hotels oder Hotelbunker. Auch Bars, Gaststätten, Casinos und ein Kino waren in den Bunkern untergebracht.
Heute sind die noch vorhandenen 21 Braunschweiger Bunker entweder wieder dem Katastrophenschutz zugeordnet, als Wohn- und Geschäftshäuser umgebaut oder sie stehen mehr oder weniger ungenutzt zum Verkauf.
Der Wandel, der in den letzten 60 Jahren in Braunschweig stattgefunden hat, lässt sich selbstverständlich nicht nur an den Bunkern ablesen; aber sie sind ein besonders gutes Beispiel, denn was erinnert sonst noch in unserer Stadt an den Zweiten Weltkrieg? Die Innenstadt ist wieder aufgebaut worden, die Wunden des Krieges sind kaum noch sichtbar, vor allem für diejenigen, die Braunschweig vor dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannt haben. Es gibt Gedächtnisorte wie die Gedenkstätte für das KZ-Außenlager Schillstraße oder den Friedhof Hochstraße, doch ist dort von der ursprünglichen Situation kaum etwas erhalten.
Auch viele Bunker sind nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar, aber es gibt noch einige, wo sofort klar wird, zu welchem Zwecke sie gebaut wurden.
Wolfgang Ernst
Literatur: Wolfgang Ernst, Überlebensorte – Bunker in Braunschweig, Hrsg. Stadt Braunschweig, Appelhans Verlag Braunschweig 2006