Orientierungs- und Leitsystem Wissenschaft

Maßnahmenkonzept für Sichtbarkeit der Wissenschaft

Seit der Bewerbung als „Stadt der Wissenschaft“ wurde eine Vielzahl an Projekten im öffentlichen Raum umgesetzt, um der Wissenschaft kontinuierlich Präsenz einzuräumen. Jedoch handelte es sich dabei weitestgehend um temporäre Maßnahmen (z. B. „Gewächshaus des Wissens“, „Cloud der Wissenschaft“).

Als logische Fortführung dieser temporären Aktivitäten ist die Idee eines übergreifenden Orientierungssystems entstanden, welches als identitätsstiftendes Merkmal der ForschungRegion dienen soll, um deren Wahrnehmung nach innen und außen zu verbessern.  

Diesbezüglich haben im Jahr 2021 und 2022 mehrere durch die Stadtverwaltung organisierte Workshops unter Teilnahme von Vertreterinnen und Vertretern der Braunschweiger Forschungseinrichtungen stattgefunden.

Das Ergebnis: Ein Leitsystem muss größer gedacht werden als in Form einer analogen Straßenbeschilderung. Um das Image der ForschungRegion zu stärken ist die Nutzung digitaler Tools essentiell. 

Um ein solches Leitsystem auf den Weg zu bringen, hat die Kulturverwaltung ein sieben Einzelmaßnahmen umfassendes KonzeptPDF-Datei77,08 kB erstellt, das vom Rat am 20.12.2022 beschlossen wurde. Aktuell befindet es sich in der Umsetzung.

Exemplarische Maßnahmen

Sciecons 

Vereinfachte Wissenschaftspiktogramme, sogenannte „Sciecons“, wurden für Braunschweiger Forschungseinrichtungen entworfen. In Verbindung mit plakativen Kurztexten („Messages to Go“) und QR-Codes sollen sie auf die Institutionen aufmerksam machen und das Image der ForschungRegion (Öffnet in einem neuen Tab) stärken. Die Sciecons werden digital und analog im öffentlichen Raum präsentiert.


Science Schaufenster

Weiterhin wird der Wissenschaftsstandort Braunschweig temporär in einem Science-Schaufenster in der Innenstadt vorgestellt: In den Blick genommen werden dabei abwechselnd der gesamte Forschungsstandort, einzelne Forschungseinrichtungen oder spezifische Forschungsgebiete und –erkenntnisse. Medien wie Schautafeln, Exponate oder Filme sollen die wissenschaftliche Arbeit anschaulich vermitteln.


Verkehrsleitsystem

Entsprechend der Bedarfe der wissenschaftlichen Einrichtungen werden die vorhandenen Anfahrtsbeschilderungen des Verkehrsleitsystems ergänzt und erweitert.

Lichtkunstprojekt von Bjørn Melhus am Kleinen Haus

Künstlerische Installation rückt die Wissenschaft ins Licht

Das zentrale Projekt der städtischen Kulturverwaltung im Rahmen des Maßnahmenkonzepts ist eine künstlerische Lichtinstallation des Künstlers Bjørn Melhus an der seitlichen Fassade des Kleinen Hauses des Staatstheaters (zum Anna-Amalia-Platz hin). Sie zitiert den in Braunschweig geborenen Wissenschaftlers Carl Friedrich Gauß (1777 bis 1855): "DAS ERGEBNIS HABE ICH SCHON, JETZT BRAUCHE ICH NUR NOCH DEN WEG, DER ZU IHM FÜHRT." Ein Zitat von Gauß wurde gewählt, weil er Wissenschaftler und zugleich eine für Braunschweigs Geschichte bedeutende historische Persönlichkeit war. 

Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum hat am Dienstag, 29. August 2023, die Lichtinstallation  feierlich eingeschaltet. Das Kunstprojekt soll die herausragende Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für Braunschweig in der Stadt sichtbarer machen. Die Veranstaltung fand in Anwesenheit zahlreicher Vertreter des Vereins ForschungRegion Braunschweig und des Staatstheaters statt.

„Die Lichtkunstinstallation steht für die enge Verbindung von Kunst, Kultur und Wissenschaft und verdeutlicht dabei auch die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Staatstheater und der Stadt Braunschweig“, sagte OB Dr. Thorsten Kornblum. Überdies diene sie als erstes sichtbares Zeichen bezüglich des bevorstehenden Gauß-Jubiläums anlässlich des 250. Geburtstags von Gauß im Jahr 2027. „Die Installation würdigt nicht nur das beeindruckende Erbe von Carl Friedrich Gauß, sondern symbolisiert auch die kontinuierliche Entwicklung und Innovationskraft unserer Stadt", so Dr. Kornblum.

Die Lichtinstallation markiert zum einen die Verschränkung von Kultur und Wissenschaft, zum anderen stellt sie den ersten Meilenstein im Kontext der erweiterten Sichtbarmachung der Braunschweiger Wissenschafts- und Forschungslandschaft dar. „Diese Lichtkunstinstallation ist ein optisch überaus gelungener Ansatz, um den Braunschweigerinnen und Braunschweigern sowie auch Gästen der Stadt die Bedeutung Braunschweigs als Forschungsstandort näher zu bringen“, ergänzt Prof. Dr. Anja Hesse, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig.

Der Künstler Bjørn Melhus, der bereits durch sein vielfältiges Werk internationale Anerkennung erlangt hat, zeichnet verantwortlich hinsichtlich der künstlerischen Umsetzung der Lichtkunstinstallation. Seiner Verbindung zur Stadt Braunschweig – er absolvierte an der HBK sein Kunststudium – fügt er mit dem aktuellen Kunstwerk einen weiteren Baustein hinzu. Melhus hat darüber hinaus bereits in der halle267 ausgestellt, zudem war er mit der aufsehenerregenden Arbeit "THE BEAT GOES ON", am Lichtparcours 2020 beteiligt.

Die künstlerische Lichtinstallation ist täglich am Kleinen Haus des Staatstheaters Braunschweig zu sehen und wird ab Einbruch der Dämmerung bis jeweils 24 Uhr beleuchtet. Perspektivisch könnten in den nächsten Jahren weitere Lichtinstallationen angebracht werden, ebenfalls in der Innenstadt oder an Bahnbrücken oder Unterführungen.

Erläuterungstext zum Zitat:

„Das Ergebnis habe ich schon, jetzt brauche ich nur noch den Weg, der zu ihm führt.“

Wiewohl es bislang dafür noch keine eindeutig nachweisbare Quelle gibt, wird diese aphoristische Äußerung Carl Friedrich Gauß zugeschrieben: Unter anderem von der Mathematikerin Kerstin Rjasanowa in ihrem „Handbuch für Bauingenieure aus dem Jahre 2018“, wenn auch ohne Quellenangabe (S. 5), von Georg Schmitt in „Dich vergess‘ ich nicht! Immerwährender Kalender“ aus dem Jahre 2019 (S. 12) oder im „Kalender für Chemie 2024“, der im Jahr 2023 im Gröls-Verlag erschienen ist (S. 61). Axel Wittmann, der Geschäftsführer der Gauß-Gesellschaft in Göttingen, führt dazu aus, dass zwar in einschlägigen Biographien zu Gauß sowie in Gauß‘ eigenen Büchern und Briefen aus seiner Lebens- und Schaffenszeit diese Äußerung nicht als wörtliches Zitat zu finden sei. Allerdings seien bislang nur einige dieser Bücher und nur einige der vielen tausend Briefe von Gauß digital durchsuchbar, sodass eine schnelle Lektüre nicht ohne erheblichen Aufwand möglich sei. Dass „das Zitat in der Fassung `Das Ergebnis habe ich schon, jetzt brauche ich nur noch den Weg, der zu ihm führt´ dem Gauß’schen Stil“ entspricht „und von ihm stammen könnte …“, ist für Wittmann jedoch unbestritten. Und: Möglicherweise, so Wittmann, habe es sich wie ein anderes berühmtes Zitat von Gauß entwickelt: „Nichts ist getan, wenn noch etwas zu tun übrig bleibt“. Dieses Zitat wurde von Gauß in der von ihm viel verwendeten lateinischen Sprache verfasst, und später vielfach - u. U. leicht verschieden lautend - übersetzt. 

Festzuhalten bleibt, dass der Ausspruch, den die Leuchtschrift am Kleinen Haus wiedergibt: „Das Ergebnis habe ich schon, jetzt brauche ich nur noch den Weg, der zu ihm führt“ – selbst wenn er erfunden sein sollte – inhaltlich geradezu idealtypisch die Arbeitsweise von Gauß zum Ausdruck bringt. Dieser war einerseits wissenschaftlich sehr umtriebig, andererseits jedoch penibel darauf bedacht, seine wissenschaftlichen Ergebnisse nur dann zu veröffentlichen, wenn er sie für vollständig bewiesen hielt. Bevor er seine Resultate öffentlich präsentierte, war es ihm sehr wichtig, die dem Resultat vorangestellten theoretischen Grundlagen geklärt zu haben.

Zudem präsentierte Gauß stets nur Resultate mit kurzer Beweisführung, während der Weg, den er einschlug, in manchen Fällen wohl für immer verloren gegangen ist. Eine Reihe von historischen Quellen geben Zeugnis von seiner spezifischen Arbeitsweise. So ist in der Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung vom 23. April 1857 zu lesen: „In der Geometrie äußerte sich der bei Gauß bestehende Gegensatz zwischen einer nahezu unerschöpflich strömenden Gedankenfülle und der relativ geringen Neigung zur Publikation.“ (vgl. Carl Friedrich Gauß von Hans Wußing, 1989, S. 58). 

Grundsätzlich veröffentlichte Gauß ein Ergebnis erst, wenn er der Meinung war, dass die Theorie dazu vollständig bewiesen war. Dies führte dazu, dass er gelegentlich andere Wissenschaftler darauf hinwies, dass er bestimmte Ergebnisse zwar bereits lange bewiesen aber aufgrund unvollständiger theoretischer Grundlagen noch nicht präsentiert habe. So äußerte er in einem Briefwechsel im Jahr 1799 mit Wolfgang Bolyai: „Zwar bin ich auf manches gekommen, was den meisten schon für einen Beweis gelten würde, aber was in meinen Augen so gut wie Nichts beweist […] Dergleichen Sätze habe ich mehrere, aber in keinem finde ich etwas Befriedigendes.“ (vgl. Materialien für eine wissenschaftliche Biographie von Gauß von F. Klein, M. Brendel, L. Schlesinger, 1918, S. 45). 

Gauß strebte danach, seinen Untersuchungen die Form von „vollendeten Kunstwerken“ zu geben. Deshalb scheute er sich meist, sie zu veröffentlichen, bevor diese nicht die gewünschte Form der Beweisführung erreicht hatten. Dieses Streben erklärt auch die Art und Weise, in der Gauß seine Schriften verfasste. Sie waren alle in der synthetischen Darstellungsweise geschrieben, die er durch das Studium der Werke von Archimedes und Newton kennengelernt hatte. Der Weg, den er zur Entdeckung seiner Ideen genommen hatte, wurde auf diese Weise jedoch verschleiert und so das Studium seiner Abhandlungen erschwert (vgl. Geschichte der Wissenschaften in Deutschland. Siebzehnter Band. Geschichte der Mathematik von J. Gerhardt, 1877, S. 245). 

Gauß arbeitete nach dem Grundsatz pauca sed matura (Weniges aber Reifes) wenige, aber reife Ideen. Dies brachte ihm jedoch auch Nachteile: „Weil er so lange mit der Veröffentlichung seiner Ideen wartete, konnte es passieren, dass andere ihm zuvorkamen“ und seine Entdeckungen publizierten, bevor er es selbst tun konnte (vgl. Denkweise großer Mathematiker: Ein Weg zur Geschichte der Mathematik von H. Meschkowski, 1990, S. 116).  

Bei dem Satz, der nun die Fassade des Kleinen Hauses des Staatstheaters schmückt, könnte es sich gegebenenfalls um die etwas freie Übersetzung, der Gaußschen Devise pauca sed matura handeln. Dieses Motto war Gauß offensichtlich besonders wichtig, denn er verwendete es sowohl auf seinem Petschaft (Siegelstock u.a. zum Verschluss von Briefen genutzt) als auch in seinem Familienwappen. 

Zwei Quellen, die Axel Wittmann beigetragen hat, veranschaulichen dies: 

„Ich hasse alles übereilte Publiciren und wünsche immer nur reifes zu geben", ist in einem Brief vom 18. August 1832 zu lesen, den Gauß an Johann Franz Encke gerichtet hat (Wittmann, „Obgleich und indeßen“ Band 2, S. 675). Und am 20. Juni 1836 schrieb Gauß an Heinrich Christian Schumacher: „[...] bemerken Sie zugleich, dass ich nicht ohne Ursache pauca sed matura zu meinem Wahlspruch für alles zu veröffentlichende gemacht habe. Die allgemeinen Apperçus sind die Geburten Einer Stunde, aber um daraus etwas gereiftes zu machen, ist oft lange, oft jahrelange grosse Detailarbeit nöthig, [...]" Dieser Satz aus dem Zitat von Gauß` Brief an Schumacher entspricht in seiner Aussage inhaltlich den Worten am Staatstheater, ebenso wie die Antwort, die Gauß  mehrfach sinngemäß den Kollegen gab, die ihm Veröffentlichungen über neue wissenschaftliche Erkenntnisse zugesandt hatten: Er habe die präsentierte Erkenntnis schon länger gewonnen, sie aber noch nicht veröffentlicht, weil er noch nicht den perfekten Beweis habe formulieren können.  

Zu klären wäre nun allerdings noch, wie genau der Wortlaut der Übersetzung in die Welt gekommen ist. Aufgrund der unglaublichen Menge unerschlossener und noch nicht digitalisierter Quellen kommt die Möglichkeit durchaus in Betracht, dass dieses Zitat von Gauß in lateinischer Sprache verfasst und schließlich frei übersetzt wurde. 

Im Zuge des anstehenden Gauß-Jubiläums im Jahr 2027 gibt es zahlreiche Bemühungen, das Werk von Gauß weiter zu erschließen. Es ist mit Spannung zu erwarten, ob sich in der weiteren Gauß-Forschung ein eindeutiger Beleg für den Wortlaut „Das Ergebnis habe ich schon, jetzt brauche ich nur noch den Weg“ finden wird. Unbestritten ist jedoch schon jetzt, dass diese Äußerung sein Arbeitsethos auf prägnante Weise zum Ausdruck bringt.

Erläuterungen und Hinweise