Mit geballter Expertise gegen Corona
Geht es um Wege aus der Pandemie, stehen Schutzimpfungen im Mittelpunkt. Schließlich ist es entscheidend, dass möglichst wenige Menschen überhaupt erkranken. Kommt es einmal doch zur Erkrankung, können bisher nur die Symptome behandelt werden, denn ein wirksames Medikament gegen das Virus existiert noch nicht. Doch das Braunschweiger Start-up CORAT Therapeutics GmbH hat ein hochwirksames Antikörper-Medikament gegen SARS CoV-2 entwickelt, das in klinischen Studien bereits Leben rettet. Schon bald soll es in die Produktion gehen – mit Hilfe des großen Pharmaunternehmens Dermapharm Holding SE.
„Die Pandemie lässt sich auf drei Arten in den Griff bekommen: Testen, Impfen und Therapieren“, fasst Dr. Andreas Herrmann zusammen. „Impfen ist wichtig, aber damit allein kommen wir nicht schnell genug voran“, schließlich seien weltweit erst 25% der Menschen geimpft. „Und auch mit Testen entdeckt man nie alle Infizierten. Daher muss man am Ende denjenigen helfen, die trotz allem weiterhin schwer erkranken. Für diese Patienten ist unser Medikament gedacht.“ Denn auch anderthalb Jahre nach Ausbruch der Pandemie gibt es noch kein Medikament, das den Erreger im Körper bekämpft. Man behandelt bisher nur symptomatisch, lindert also die Symptome und beatmet Patienten notfalls künstlich.
Aus der Forschung in die Praxis
Dr. Herrmann ist CEO der CORAT Therapeutics GmbH (Öffnet in einem neuen Tab) und kein Neuling in der Branche: Der Biochemiker hat in den vergangenen 25 Jahren neun pharmazeutische Unternehmen gegründet, die alle noch bestehen. Auf Basis dieser langjährigen Erfahrung betreibt er heute das Beratungsunternehmen Probiocon GmbH (Öffnet in einem neuen Tab) für Gründungen im Bereich Biotech. In dieser Funktion hat er das Management des Start-ups übernommen, das selbst wiederum eine Ausgründung der Braunschweiger YUMAB GmbH (Öffnet in einem neuen Tab) ist: „Wir sind in der Branche gut vernetzt, und so hat mich Dr. Schirrmann von YUMAB im Mai 2020 gefragt, ob ich ihn unterstützen kann“, erzählt Herrmann und lacht: „Daraus ist ein Job mit 80 Stunden pro Woche geworden.“
Im vergangenen Jahr sorgte die am Science Campus des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) ansässige YUMAB GmbH international für Aufsehen, als es ihren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern innerhalb weniger Wochen gelang, Antiköper zu identifizieren, die als Wirkstoff gegen das Corona-Virus dienen könnten. Das Unternehmen ist auf die Identifizierung und Entwicklung von Antikörpern spezialisiert und hat mit 100 Milliarden verschiedenen menschlichen Antikörpern eine der größten Antikörper-Bibliotheken der Welt aufgebaut. Dieses Know-how dient nun als Basis zur Entwicklung eines marktreifen Medikaments beim eigens dafür gegründeten Tochterunternehmen CORAT.
Nicht zuletzt dank der Expertise von Dr. Herrmann gelang dies überaus schnell: Innerhalb von nur elf Monaten ging es von der ersten Idee hin zu klinischen Studien mit einem fertigen Medikament. „Wir haben unseren Antikörper so modifiziert, dass er speziell für schwere Erkrankungen eingesetzt werden kann“, erklärt mir Dr. Herrmann. „Ein normaler Antikörper stimuliert das Immunsystem.“ Man kennt ähnliches auch als Reaktion nach einer Impfung. Bei einem schwer erkrankten Patienten kann das problematisch sein, da das Immunsystem bereits stark belastet ist. „Deswegen haben wir gezielt den Teil des Antikörpers deaktiviert, der das Immunsystem anregt“, so der Forscher.
Ein guter Ort zum Gründen
Ein Medikament zu entwickeln, ist eine Sache – ein marktreifes Produkt in entsprechenden Mengen auf den Markt zu bringen, eine andere. „Die Produktion eines Antikörper-Medikaments ist nicht zu vergleichen mit der eines mRNA-Impfstoffes. Wir benötigen dafür Bioreaktoren mit vielen tausend Litern Kapazität in riesigen Produktionsanlagen“, verdeutlicht der Gründer, der in Island bereits federführend war, eine Facility mit 14.000 qm aus der Taufe zu heben. So etwas kann ein kleines Start-up mit nur sieben Beschäftigten natürlich nicht allein stemmen; bei CORAT selbst steht vor allem das Projektmanagement im Vordergrund.
Also hat Dr. Herrmann seine Kontakte genutzt und das börsennotierte Pharmaunternehmen Dermapharm aus Grünwald bei München gewonnen, das auch den Impfstoff für Biontech herstellt. Dieses ist nun mit 24,9 Prozent und einem zweistelligen Millionenbetrag am Braunschweiger Start-up beteiligt. „Mit Hilfe von Dermapharm können wir auf Ressourcen zugreifen, die weit über unsere eigenen Kapazitäten hinausgehen. Das bringt uns enorm voran“, schwärmt er. Zudem wird CORAT als eines von sechs Unternehmen seit kurzem auch vom Bund unterstützt. Inzwischen wird ihr Medikament in fünf Studienzentren an Patienten getestet. Bald folgt eine weitere Studie in 15 Zentren in ganz Europa. Entsprechend optimistisch zeigt sich Dr. Herrmann: „Wir hoffen, in einem Jahr auf dem Markt zu sein und sprechen über Umsatzziele im dreistelligen Millionenbereich.“
Und auch wenn Team und Expertise von CORAT international sind, sei die Erfolgsgeschichte in dieser Form andernorts nur schwieriger denkbar: „Das Netzwerk und die Infrastruktur hier in der Region haben es uns überhaupt erst ermöglicht, so schnell voranzukommen“, erzählt mir Dr. Herrmann und nennt beispielhaft die TU Braunschweig, das HZI sowie das Fraunhofer ITEM. „Die wissenschaftliche und auch die politische Lage in Niedersachsen durch alle Parteien hindurch war eine exorbitant neue Erfahrung für mich. Man hat uns unterstützt und uns kurze Wege bereitet, das ist wirklich bemerkenswert“, freut sich der in der Schweiz lebende Kölner und lobt: „Niedersachsen ist ein guter Ort zum Gründen.“
Text: Stephen Dietl, 15.09.2021