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Durchbruch beim Kampf gegen das Virus

Die Corona-Pandemie hat die Welt im Griff, ihre Folgen sind allgegenwärtig. Um dem Virus SARS-CoV-2 Einhalt zu gebieten, wird auch in Braunschweig an wirksamen Therapien geforscht. Das am Science Campus Braunschweig-Süd ansässige Biotech-Unternehmen YUMAB hat sich auf die Herstellung von Antikörpern spezialisiert. Mit seiner Expertise steht es international an der Spitze der Entwicklung eines Wirkstoffs gegen den tückischen Krankheitserreger. In Kooperation mit dem benachbarten Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und der TU Braunschweig haben die Forscher nun einen Durchbruch erzielt.

„Antikörper sind Y-förmige Moleküle, die der Körper produziert, um Krankheitserreger abzuwehren. Sie binden an deren Oberfläche und aktivieren das Immunsystem. Bei Viren verhindern Antikörper zudem, dass weitere Wirtszellen befallen werden“, erklärt mir Dr. Thomas Schirrmann, Geschäftsführer und Gründer der YUMAB GmbH. Im Falle eines unbekannten Erregers wie SARS-CoV-2 muss unser Organismus erst neue Antikörper entwickeln. Das kann lebensbedrohende Wochen dauern. „Diesen körpereigenen Prozess kürzen wir ab, indem wir die Gene der Antikörper isolieren und in Genbibliotheken speichern. So haben wir quasi alles schon fertig im Reagenzglas. Und bei Bedarf fischen wir dann mit einem Virus-Protein, wie an einer Angelschnur, den passenden Antikörper heraus.“

Dr. Thomas Schirrmann, Geschäftsführer und Gründer der YUMAB GmbH.© Verena Meier Fotografie

Antikörper werden immer häufiger als Wirkstoffe genutzt, denn sie wirken gezielter als herkömmliche Medikamente. Mit 100 Milliarden verschiedenen menschlichen Antikörpern hat die YUMAB GmbH eine der größten Antikörper-Bibliotheken der Welt aufgebaut. Und was bereits im Reagenzglas erfolgreich funktionierte, konnte nun in einem besonderen Labor der Sicherheitsstufe 3 am HZI bestätigt werden: In den vergangenen Tagen wurden erstmalig mögliche Wirkstoffkandidaten, die das Virus an der Infektion von neuen Zellen hindert, auch am echten Virus in lebenden Zellen getestet – und das mit Erfolg (Pressemeldung der YUMAB GmbH).

Vom Campus auf den Weltmarkt

YUMAB ist eine Ausgründung der TU Braunschweig. Gemeinsam mit drei Wissenschaftlern des Instituts für Biotechnologie, darunter zwei Professoren, rief Schirrmann 2012 die Firma ins Leben, nachdem er mit einem Kollegen bereits ein kleines Startup zur Lizensierung von Technologie und Forschungsantikörpern betrieben hatte: „Wir sind mit YUMAB weg von der reinen Lizensierung und hin zur Entwicklung therapeutischer Antikörper im Kundenauftrag“, fasst der promovierte Immunbiologe zusammen. „Seitdem entwickeln wir Antikörper unter anderem gegen Krebszellen oder Zielmoleküle im Blut, die verantwortlich für Autoimmunerkrankungen sind.“

2018 ergab sich die Möglichkeit, von der Universität in größere Räume am Science Campus des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung zu wechseln. „Man hatte uns eingeladen, da wir perfekt zum Campus passen würden. Und das war ein absoluter Glücksfall“, erinnert sich Schirrmann und schwärmt: „Es gibt hier eine extrem gute Infrastruktur und viele Synergien dank der Experten aus dutzenden Fachrichtungen, die gerade jetzt sehr vorteilhaft sind. Ich kenne keinen weiteren Ort, an dem das so gebündelt ist.“ Inzwischen beschäftigt die YUMAB GmbH 24 Mitarbeiter und entwickelt therapeutische Antikörper für über hundert Firmen auf der ganzen Welt.

Hochleistung unter erschwerten Bedingungen

„Man muss unterscheiden zwischen Impfstoffen und Wirkstoffen“, erklärt mir Dr. Schirrmann. „Impfungen machen gesunde Menschen immun, indem der Körper mit inaktiven Erregern zur Produktion eigener Antikörper angeregt wird. Antikörpermedikamente neutralisieren dagegen direkt das Virus im erkrankten Patienten.“ Um optimal gegen Corona vorzugehen, muss man Impfstoffe und Medikamente erforschen. „Wir entwickeln den Antikörper, also den Stoff, der wirkt – hoffentlich das zukünftige Medikament“, fasst Dr. Schirrmann die Bestrebungen von YUMAB zusammen. Dazu arbeiten die Kolleginnen und Kollegen aus Sicherheitsgründen seit einigen Wochen im Zweischicht-System: „Die beiden Teams sehen sich gar nicht. Zudem sind wir im Labor immer allein, halten große Sicherheitsabstände ein.“

Im Yumab-Labor werden die Kulturen in der Antikörper-Produktion kontrolliert.© Verena Meier Fotografie

Erschwerend kommt hinzu, dass die Corona-Forschung der vielen internationalen Institute und Unternehmen kaum organisiert ist: „Es gibt abseits einiger Fachkonsortien keine Koordination. Das ist ein großes Problem“, erzählt der Wissenschaftler. Die Situation gleicht also einem Wettrennen mit verbundenen Augen. Dennoch müsse man handeln: „Wenn am Ende fünf Wirkstoffe funktionieren, ist es besser als keinen zu haben. Häufig verändert sich ein Virus, und einer der Wirkstoffe funktioniert dann möglicherweise nicht mehr. Oder die Kombination zweier Stoffe bietet einen besseren Effekt.“

Trotz aller Schwierigkeiten liege man gut im Zeitplan, versichert mir Schirrmann: „Wir wollen etwas schaffen, das eigentlich rund fünf- bis zehnmal so lange dauert.“ Denn zehn Jahre und mehr braucht es normalerweise von der Antikörperforschung bei YUMAB zum fertigen Produkt eines Pharmaunternehmens. So viel Zeit gibt es im Falle SARS-CoV-2 nicht. Daher werden weltweit nun viele Verfahren abgekürzt und Testreihen laufen parallel. Bei YUMAB ist man optimistisch: „Wir werden voraussichtlich schon bis Juli einen Wirkstoff liefern, mit dem anschließend klinische Studien vorbereitet werden können.“

Diese Forschung mit ungewissem Ausgang finanzieren YUMAB und ihre Partner bisher noch selbst: „Wir glauben einfach, dass wir mit unserer Technologie schneller sind als andere. Zudem bringen wir eine Expertise ein, die es erlaubt, zukünftig hoffentlich innerhalb weniger Monate auf Situationen wie diese zu reagieren“, erzählt mir der Firmengründer. „Ginge es um Geld, würden wir die Finger davon lassen. Doch wenn man am Ende Menschenleben rettet, war es das wert.“

Text: Stephen Dietl, 06.05.2020


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