Stratum 0 – Treffpunkt für Hightech-Tüftler
Wo ist die Braunschweiger Start-Up-Szene zuhause? Zum Beispiel im Gründerquartier Braunschweig. Hier befinden sich mehrere Orte, an denen Innovation, Kreativität und Technologie aufeinandertreffen. Einer dieser Orte ist das Stratum 0 in der Hamburger Straße. Der 164 Quadratmeter große Hackerspace ist ein Paradies für technikaffine Tüftler, kreative Handwerker und gesellige Digitalexperten.
Der Begriff Stratum 0 bezeichnet im Network Time Protocol (NTP), einem Standard zur Synchronisierung von Uhren in Computersystemen, ein zeitgebende Maschine. Die Mitglieder des gemeinnützigen Trägervereins Stratum 0 e.V. sind direkt am Puls der Zeit und verkörpern den Gegenentwurf zu einem veralteten, aber weit verbreiteten negativen Hackerbild.
„Coole Technologie schaffen“
Mit böswilligen Computerhackern haben die Hacker im Stratum 0 allerdings rein gar nichts zu tun. „Hacker sind vor allem Menschen, die kreativ mit Technik umgehen. Man analysiert Technik, schaut, was sie noch so kann und modifiziert und verbessert sie“, beschreibt Vorstandsmitglied Chris Fiege das Grundprinzip des Hackens. Es stammt ursprünglich aus dem Bereich analoger Hardware: Jeder, der mit Lego spielt und sich dabei nicht an die Anleitung hält, ist ein Hacker. Ein anderes prominentes Beispiel: Serienheld und Dauerinnovator Mac Gyver. Im Space ist es ähnlich: „ Mit relativ einfachen Mitteln schaffen wir coole Technologie“, so Fiege. Die Betonung liegt auf „relativ“, denn mehrere 3D-Drucker, CNC-Fräse, Profi-Kreissäge oder Stickmaschine gehen über die Möglichkeiten im Hobbykeller weit hinaus. Und dabei handelt es sich lediglich um einen Bruchteil des Space-Inventars, das demnächst auch einen 100 Watt CO₂-Profi-Lasercutter umfasst. Das Equipment ist mittlerweile so reichhaltig, dass der Verein sogar über eine Expansion nachdenkt und passende Räumlichkeiten sondiert.
Kreatives und gemeinwohlorientiertes Selbstverständnis
Im Space kann man seinen Ideen freien Lauf lassen und die Space-Experten geben ihr Wissen an Neulinge weiter. Erkenntnisse und Werkzeuge werden geteilt, denn die Resultate kommen meist allen zugute – und zwar nicht nur den Space Mitgliedern. So organisiert beispielsweise die Arbeitsgruppe „Freifunk Braunschweig“ vom Space aus die Versorgung mit kostenlosem WLAN. Dabei ist die digitale Technik kein Selbstzweck: „Unser Ziel sind digital mündige und selbstbestimmte Bürger“, betont Fiege eines der Kernanliegen der Stratum-Crew. Dafür haben Sie vor fünf Jahren das „Coder Dojo“ ins Leben gerufen. Einmal pro Monat lernen Kinder zwischen 5 und 15 Jahren Programmieren. Darüber hinaus ist die Datenschutzinitiative „Digitalcourage Braunschweig“ im Stratum zuhause. Dieses kreative und gemeinwohlorientierte Selbstverständnis des Vereins wird von mehreren Braunschweiger Unternehmen unterstützt.
Hinzu kommt die besondere Transparenz und Offenheit des Vereins. Jeder kann kommen – egal, ob Vereinsmitglied oder nicht, Technik-Freak oder Computer-Neuling –, um mitzumachen, mitzureden oder Expertenrat einzuholen. „Wir sind so etwas wie ein Jugendklub, nur für Technikinteressierte“, beschreibt der Vereinsvorsitzende Lars Andresen den Space. „Dabei sind wir viel mehr Vordenkerzentrum- als Start-Up-Inkubator. Wir gestalten hier vor allem unsere Freizeit.“ Zum Beispiel mit dem wöchentlichen „Malkränzchen“, den „Captain’s Log“ Science-Fiction-Abenden, dem regelmäßigen „Coptermeet“ der Drohnenpiloten oder dem „C64Demo“-Stammtisch zum Hacken mit dem 8-Bit-Kultbrotkasten.
Innovation lernen im Space
Am Technik- und Innovationsstandort Braunschweig spielt das Stratum 0 eine ganz eigene Rolle: Hier werden keine künstlichen Bedürfnisse geschaffen, sondern Lösungen gefunden. Der Space bietet genau jenen Freiraum für kreative Ideen jenseits der Kommerzialisierung, die das Querdenken und damit echte Innovationen erst ermöglichen. Im Space lernen bereits Kinder, dass technische Innovationen und gesellschaftlicher Fortschritt zusammengehören. Diese Grundlagen spielen für erfolgreiche Start-Ups eine wesentliche Rolle. Deshalb gibt es gute Kontakte zu den Akteuren der Braunschweiger Gründerszene wie dem Protohaus, dem Trafo Hub oder der Braunschweig Zukunft GmbH.
Geöffnet ist der Space, sobald Vereinsmitglieder anwesend sind. Nachmittags und abends, also nach Uni oder Arbeit, ist gewöhnlich am meisten los im Space – eine gute Zeit für den ersten Besuch. Und wie in einem gemütlichen Wohnzimmer üblich, zieht man auch im Space die Schuhe aus und redet sich meist mit dem Spitznamen, den jeweiligen digitalen Nicknames der Space-Nutzer, an. Was sollten Space-Neulinge sonst noch wissen? Lars Andresen schmunzelt: „Man sollte damit rechnen, dass man länger hier bleibt, als geplant.“
Text: Jan Engelken, 11.06.2019