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Eine Forschungsumgebung zum Abheben

Ob riskante Wartungsarbeiten, futuristische Paketzustellung oder einfach nur spektakuläre Videos: Dank der rasanten Entwicklung moderner Drohnen ist heute bereits Realität, was vor wenigen Jahren noch Science Fiction war. Doch je größer und leistungsfähiger diese „Flybots“, desto höher auch ihre elektromagnetische Strahlung. Um die Wechselwirkungen mit ihrer Umgebung besser zu verstehen – sowie herauszufinden, wie man unerwünschte Eindringlinge gezielt vom Himmel holen kann – entsteht am Forschungsflughafen ein einzigartiges Drohnen-Testzentrum.

„Besonders in einem Flächenland wie Niedersachsen werden zivile Drohnen in Zukunft eine immer größere Rolle spielen – sei es bei der Logistik auf großen Werksgeländen oder bei der Versorgung abgelegener Orte wie der Nordseeinseln. Und natürlich im Bereich der Zustandserkennung, also beispielsweise bei der Boden- und Meeresbeobachtung oder bei der Wartung von Hochspannungsleitungen“, erklärt mir Prof. Jens Friedrichs, Leiter des Instituts für Flugantriebe und Strömungsmaschinen (Öffnet in einem neuen Tab) der TU Braunschweig. „Für all das sind Drohnen kostengünstig und effizient.“

Multicopter des Instituts für Flugführung an der TU-Braunschweig zur Schieneninspektion im Hamburger Hafen.© IFF, TU Braunschweig

Drohnen und ihre Elektromotoren werden also immer leistungsfähiger – damit steigt jedoch auch ihre elektromagnetische Signatur. Das wird ab einer gewissen Größenordnung problematisch, denn mit der von ihrem Antrieb ausgehenden elektromagnetischen Strahlung kann die Drohne sowohl sich selbst als auch die Elektronik anderer Geräte stören. Doch bisher fehlen noch ganz grundlegende Kenntnisse zu derlei Wechselwirkungen und nicht zuletzt eine Möglichkeit ihrer Analyse unter realen Flugbedingungen. Diese Lücke soll das Drohnen-Testzentrum (Öffnet in einem neuen Tab), ein vom Land Niedersachsen mit 1,7 Mio. Euro gefördertes Kooperationsprojekt von TU Braunschweig (Öffnet in einem neuen Tab) und dem DLR Braunschweig (Öffnet in einem neuen Tab) am Forschungsflughafen (Öffnet in einem neuen Tab), in den kommenden Jahren schließen.

Realisiert wird das ambitionierte Vorhaben in drei unabhängigen Teilprojekten, die von der Grundlagenforschung im Windkanal bis zur Flugpraxis in einem riesigen Käfig alles abdecken, was sowohl Wissenschaft als auch Drohnenhersteller interessiert. Erstes Teilprojekt ist ein Windkanal mit EMV-Kabine zum Testen der elektromagnetischen Verträglichkeit einer Drohne. „Wir stehen vor einem Wandel in der Luftfahrt, es wird immer mehr empfindliche Elektronik verbaut. Darum müssen wir verstehen, wann wie viel Störstrahlung auftritt und ab wann so ein EMV-Feld kritisch ist“, erklärt mir Prof. Friedrichs. Das sei für die Zulassung moderner Luftfahrzeuge ein wichtiges Thema, bei dem die Behörden noch über zu wenig Wissen verfügen, denn: „Bisherige Erfahrungswerte von konventionellen Motoren lassen sich nicht auf Drohnen und Elektroflugzeuge übertragen.“

Entwurf eines Windkanals mit EMV-Kabine zum Testen der elektromagnetischen Verträglichkeit einer Drohne.© IFAS, TU Braunschweig

Kombiniertes Know-how

Zu diesem Zweck bauen Prof. Friedrichs und seine Kolleginnen und Kollegen am Institut für Flugantriebe und Strömungsmaschinen einen Windkanal, der nicht wie üblich aus Metall besteht, sondern im Bereich der Messstrecke aus Kunststoff, damit er elektromagnetisch durchlässig ist: „Die Drohne fliegt darin an einer Sicherheitsleine aber in einer realen Luftströmung und bei voller Leistung, währenddessen wird ihre elektromagnetische Strahlung vermessen“, veranschaulicht Prof. Friedrichs. „Wir können zudem Störstrahler aufbauen und untersuchen, wie sie darauf reagiert.“ Ein solch kombinierter Antriebs- und EMV-Prüfstand für Drohnen sei nach seinem Kenntnisstand ein internationales Alleinstellungsmerkmal des Standorts.

Und wurde ein Antrieb schließlich auf Herz und Nieren getestet und in eine Drohne integriert, kommt das DLR am Forschungsflughafen ins Spiel, um im zweiten Teilprojekt die Drohne unter realen Flugbedingungen zu testen. Doch ausgerechnet in der Nähe zu Flughäfen ist Drohnenflug aus Sicherheitsgründen in der Regel untersagt. Aus diesem Grund entsteht hier in den kommenden Monaten ein riesiger Drohnenkäfig, zwanzig Meter hoch und so groß wie ein Fußballfeld. Während in Sichtweite reger Flughafenbetrieb herrscht, werden dann in einem von Stahlträgern aufgespannten Sicherheitsnetz die neusten Drohnen an ihre Leistungsgrenzen gebracht. „Wir schaffen eine geschützte Umgebung und integrieren sie in den Live-Zustand eines operativen Flughafens“, fasst Prof. Friedrichs das einmalige Vorhaben zusammen. „Davon profitiert auch der Flughafen, denn er lernt gezielt etwas über die tatsächlichen EMV-Signaturen von Drohnen. Und Drohnenhersteller können andererseits ihre Drohnen im Bereich einer aktiven Flughafensensorik testen."

Der Drohnenkäfig soll für eine sichere Durchführung von Flugversuchen im Flughafenbereich sorgen.© DLR

Hier kommt zugleich auch das dritte Teilprojekt zum Einsatz: eine mobile Infrastruktur zur Drohnendetektion. Dabei geht es um die Erkennung, Identifizierung und Verfolgung so genannter „nicht-kooperativer Drohnen“, auch „intentionelle Intruder“ genannt. Also Drohnen, die sich unerlaubt in geschützten Bereichen bewegen, beispielsweise über Atomkraftwerken oder eben auch Flughäfen: „Flughäfen müssen oft stundenlang schließen, weil im Anflugkorridor eine Drohne fliegt“, veranschaulicht Prof. Friedrichs das Problem. „Wie erkennt man sie frühzeitig, und wie zwingt man sie notfalls zu einer kontrollierten Landung?“ Zu diesem Zweck arbeiten seine Kolleginnen und Kollegen am DLR an einem mobilen Radargerät mit Störsender, das sich sogar auf einem Pickup-Truck montieren lässt. Dieses können sie wiederum am Drohnenkäfig platzieren und es am echten Objekt praxisnah aber sicher testen.

Vom Labor direkt in die Praxis

Wer soll am Ende von den Erkenntnissen sowie den praktischen Möglichkeiten des Projekts profitieren? Laut Prof. Friedrichs sind das neben anderen Institutionen der Forschung und Entwicklung nicht zuletzt auch Einrichtungen der allgemeinen Flugsicherheit, wie zum Beispiel das Luftfahrtbundesamt. Im Wesentlichen richte man sich aber an Unternehmen: „Insbesondere Startups sowie kleine und mittlere Unternehmen erhalten bei uns die Möglichkeit, ihre Antriebe und Sensoren in einem einzigartigen Umfeld zu erproben“, verspricht Friedrichs. Und schon jetzt binde man die zukünftigen Nutzer intensiv ein. So gab es bereits gemeinsame Workshops, in denen mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen den Fragen nachgegangen wurde, welche Anforderungen das Projekt in der Praxis erfüllen müsse und wo die Nutzerinteressen am stärksten ausgeprägt sind, berichtet mir der Ingenieur.

Dass die Resonanz auf das Drohnen-Testzentrum bisher extrem positiv ist, überrascht Prof. Friedrichs nicht: „Es sind zwar drei getrennte Teilprojekte, allerdings eng aufeinander abgestimmt, sodass wir eine sehr praxisnahe Durchgängigkeit anbieten können.“ Dass so etwas in dieser Form überhaupt möglich ist, sei nicht zuletzt dem Standort Braunschweig und der Forschungsregion geschuldet: „Wir sind hier im Bereich Luftfahrt ganz weit vorne, auch im internationalen Vergleich. Diese Vielfältigkeit und Interdisziplinarität vom Labor bis zur Praxis im Umkreis von nur zwei Kilometern ist einzigartig. Das bietet nur diese Region so.“

Text: Stephen Dietl, 06.12.2022


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