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Digitalisierung für alle

Als einer der forschungsstärksten Standorte Europas trägt die Region Braunschweig zur Digitalisierung der Gesellschaft bei. Die Perspektive ist in den meisten Fällen eine technisch-naturwissenschaftliche, also die Entwicklung neuer Technologien. Doch welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf unser Leben? Und wie kann sie dazu beitragen, möglichst vielen Menschen eine gesellschaftliche Teilhabe zu sichern? Um die Digitalisierung aus geistes- und kulturwissenschaftlicher Sicht zu erforschen, entsteht derzeit der Leibniz-WissenschaftsCampus – Postdigitale Partizipation – Braunschweig.

„Man kann nicht mehr davon sprechen, dass die Digitalisierung im Kommen ist, denn wir sind bereits digitalisiert. Fast jeder Mensch in allen Teilen der Welt ist in irgendeiner Form von der Digitalisierung beeinflusst“, erklärt mir Prof. Dr. Eckhardt Fuchs, Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut (GEI) (Öffnet in einem neuen Tab) und Sprecher des WissenschaftsCampus. „Wir müssen inzwischen also nicht mehr darüber nachdenken, wie wir die Digitalisierung einführen, sondern was ihre Konsequenzen für die Gesellschaft sind und wie wir mit ihnen umgehen.“

Prof. Dr. Eckhardt Fuchs, Direktor des Georg-Eckert-Instituts - Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung (GEI), ist Sprecher des WissenschaftsCampus.© GEI

„Es heißt immer, Digitalisierung sei für alle da und schlage sich in höheren Partizipationschancen von Bürgerinnen und Bürgern nieder“, erzählt mir der renommierte Bildungsforscher. „Eine Behauptung, die noch untersucht wird.“ Der Wissenschaftscampus widme sich daher der Frage, in wie weit der digitale Wandel tatsächlich die Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern beeinflusst: „Das kann nämlich positiv und negativ sein“, erklärt Prof. Dr. Fuchs und verdeutlicht: „Welche Formen von digitalen Werkzeugen werden benötigt, um die Partizipation zu erhöhen? Und wo führt Digitalisierung gar zu mehr sozialer Ungerechtigkeit – und wie kann man dieser entgegenwirken?“

Gemeinsam zu neuen Erkenntnissen

Der Leibniz-WissenschaftsCampus – Postdigitale Partizipation ist eine interdisziplinäre Forschungspartnerschaft des Georg-Eckert-Instituts mit der TU Braunschweig, der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, dem Deutschen Schifffahrtsmuseum – Leibniz-Institut für Maritime Geschichte, dem Leibniz-Institut für Wissensmedien und dem Haus der Wissenschaft. WissenschaftsCampi sind eine spezielle Förderlinie der Leibniz-Gemeinschaft. Ihr Ziel: Leibniz-Institute und andere wissenschaftliche Einrichtungen in regionalen Verbünden zusammenzubringen und gemeinsam ein Forschungsthema zu behandeln. So werden Expertisen und Ressourcen gebündelt, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.

Die Eröffnungsveranstaltung des Leibniz-WissenschaftsCampus fand am 21. November 2019 im Trafo HUB statt.© Philipp Ziebart

„Wir möchten den WissenschaftsCampus so entwickeln, dass er international als Zentrum für Partizipationsformen im postdigitalen Zeitalter wahrgenommen wird“, erzählt mir Prof. Dr. Fuchs. „Wir werden informationswissenschaftliche, sozialwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Forschung zur Digitalisierung und Partizipation in einem Verbund zusammenführen, der wirklich interdisziplinär arbeitet. Und das alles direkt mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen.“ Das Projekt ist vorerst auf vier Jahre angelegt mit der Möglichkeit zur Verlängerung.

Bildung und Teilhabe in der Smart City

Realer Mittelpunkt des virtuellen WissenschaftsCampus ist das derzeit noch im Bau befindliche „The Basement“, das Digital Lab auf dem Gelände des Georg-Eckert-Instituts. Hier sollen Kultur-, Sozial- und Technikwissenschaften mit lokalen Interessenvertretern zusammenkommen, um Partizipation in Bildung und städtischem Zusammenleben zu erforschen und zu gestalten. „Vertreterinnen und Vertreter aus völlig unterschiedlichen Bereichen werden sich gemeinsam damit beschäftigen, welche Auswirkungen die Digitalisierung hat und wie man sie so gestalten kann, dass Partizipation verstärkt wird“, erklärt mir Prof. Dr. Fuchs.

Der Fokus liegt dabei auf zwei großen Bereichen: Schulische Bildung und städtisches Zusammenleben, insbesondere im Hinblick auf die „Smart City“. Fünf Projekte laufen am Campus bereits: Eines unter Federführung des GEI befasst sich beispielsweise mit den Herausforderungen von Digitalität in Schulen: Wie verändert sie die Unterrichtskultur? Führt die Einführung von Tablets zu mehr Partizipation? Und lässt sich mit ihnen individuelles Lernen verwirklichen oder schließt man so auch Schülerinnen und Schüler aus? „Wir holen Schulklassen ins Lab und schauen, welche Medienkompetenz die Schülerinnen und Schüler haben“, erzählt mir Prof. Dr. Fuchs. „Wir bieten hier einen Experimentierraum an, den es in Schulen so nicht gibt.“

Ein anderes Projekt entwickelt gemeinsam mit dem Deutschen Schifffahrtsmuseum eine App, die vulnerable Personengruppen und insbesondere Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung mehr Partizipation an Museen ermöglicht. Und ein Projekt in Kooperation mit Instituten der TU widmet sich der Frage, wie man Bürgerinnen und Bürger digital an der Stadtentwicklung beteiligen kann. Unschwer zu erkennen ist, dass über all dem auch eine Frage von besonderer politischer Aktualität steht: "Wir reden oft über Demokratiemüdigkeit“, so Prof. Dr. Fuchs. „Mit digitalen Tools lassen sich Menschen ermutigen, wieder an gesellschaftlichen Prozessen teilzuhaben und für demokratische Prozesse begeistern.“

Text: Stephen Dietl, 04.03.2020


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