Abenteuerreise in den digitalen Kosmos
Ursprünglich entwarfen Julia Wierzbowski und Marvin Priedigkeit bloß ein unterhaltsames Kartenspiel mit Programmiersprache für Schüler. Die Idee wuchs, und inzwischen halten die beiden Gründer fast jeden Tag feste Kurse ab – wie eine Musikschule, nur eben mit Algorithmen und Codes zur Software-Entwicklung. Ihr junges Start-up „Codenauten“ ist eine vollwertige Programmierschule für Kinder und Jugendliche – aber auch für Erwachsene, die sich praxisnah fortbilden möchten. Eine „Next Gen Developer School“.
„Wir bringen den Teilnehmern nicht nur Programmieren bei, sondern machen sie zu richtigen Entwicklern“, erklärt mir Marvin. „Dabei wollen wir vor allem Begeisterung wecken und Potentiale erschließen.“ Die Hürde zum Einstieg in die Welt der Einsen und Nullen ist für viele Menschen hoch, Programmieren gilt nach wie vor als Domäne von Mathe-Genies. Doch in Wahrheit gehören vor allem Kreativität, jede Menge Spaß und eine ordentliche Portion Teamfähigkeit zum Erfolg: „Unsere Mission ist, die Angst vorm Programmieren zu nehmen“, erzählt mir der Informatiker. „Wir zeigen, dass es gar nicht schwer ist und eine spannende berufliche Perspektive sein kann.“
Vom Käse-Sandwich zur eigenen App
Doch bevor sie mit ihren Schülern in digitale Welten aufbrechen, geht es erst mal ganz analog los – und zwar mit belegten Broten: Die Kids sollen eine Anleitung schreiben, wie man ein Sandwich zubereitet. Die Zutaten liegen vor Julia und Marvin auf dem Tisch, sie folgen wortgetreu den schriftlichen Anweisungen. Doch heraus kommt kein leckerer Snack, sondern ein Stück Käse und eine ungeschälte Gurke zwischen zwei Packungen Toastbrot.
„Code your Sandwich“ nennen die beiden das Experiment, mit dem sie spielerisch veranschaulichen, wie kleinteilig beim Programmieren die Kommunikation mit dem Computer sein muss. Schließlich denkt dieser nicht mit, sondern befolgt einfach wortgetreu jeden Befehl. Anschließend übersetzten sie gemeinsam die Aufgabe in funktionierenden Pseudocode: „Schäle Gurke und schneide Scheiben 2 mm dünn vertikal.“ Und voilà: Ein leckeres Sandwich!
Und auch sonst ist Digitales bei den Codenauten kein Selbstzweck, setzen sie weiterhin auf Althergebrachtes, wenn es sich bewährt hat: „Wir lassen auch mal Code mit Stift auf Papier schreiben und zu Flussdiagrammen zusammenlegen, um verschiedenste Areale im Hirn anzusprechen“, erzählt mir Julia. „So ist der Lerneffekt größer.“
Wie an der Uni, nur spannender
Dennoch dreht sich am Ende natürlich alles ums Digitale. Dabei bedienen sie sich derselben Tools, wie sie auch Profis nutzen: Die Kinder und Jugendlichen lernen die Programmiersprache „Java“, bei den Kursen für Erwachsene steht „Python“ im Mittelpunkt. Gleichsam an erster Stelle: Praxisnähe und Erfahrungsgewinn. „Wir legen den Fokus auf das, was wirklich wichtig ist“, so die Medienpädagogin. „Wir reden nicht über ‚Speicherzuweisungen‘, wie es in Lehrbüchern zu Anfang üblich ist. Dann hat man als Jugendlicher sofort keine Lust mehr.
Wenn man Kindern Handwerken beibringen will, baut man mit ihnen schließlich auch keinen langweiligen Tisch, sondern lieber einen spannenden Flitzebogen, verdeutlicht Marvin ihr Lernkonzept und ergänzt: "Wir lassen die Kids ein cooles Quiz oder ein kleines Spiel programmieren und nicht irgendwas Langweiliges. Dennoch bieten wir im Grunde dasselbe wie in der Uni an, nur eben anders aufbereitet.“
Für jedes Alter und jeden Wissensstand
Die nachmittäglichen Kurse umfassen je zwölf Veranstaltungen zu 90 Minuten pro Woche, sind in drei Altersklassen ab 11 Jahren verfügbar (Kinder, Jugendliche und Erwachsene) und modular aufgebaut, von den Grundlagen des Programmierens bis zur fortgeschrittenen Software-Entwicklung. So lässt sich über Jahre teilnehmen für umfassende Kenntnisse. „Aber bereits mit dem Wissen von drei Kursen kann man selbstbewusst in ein Praktikum gehen und wohlmöglich sogar eine Ausbildung beginnen“, verspricht Julia.
Darüber hinaus gibt es noch das wöchentliche „Code Lab“, einen offenen Nachmittag für alle, die schon programmieren können. „Da helfen wir, individuelle Ideen zu verwirklichen“, erklärt mir Marvin und freut sich: „Dabei zeigen wir hier im TRAFO Hub auch gleich, dass es noch andere Arbeitsmöglichkeiten gibt als den klassischen Angestellten-Job.“ Aber auch die kommen bei den Codenauten nicht zu kurz, denn inzwischen bieten sie auch Weiterbildungskurse für Businesskunden an, zuletzt sogar in-house bei BS|Energy.
Text: Stephen Dietl, 1.10.2019