.

Ausgezeichnete Architektur

Seit der Fertigstellung regnet es Architekturpreise: Das Studierendenhaus ist nicht nur der erste interdisziplinäre Work Space der TU Braunschweig, sondern auch ein architektonischer Leuchtturm mit Strahlkraft über die Region hinaus. 160 moderne Arbeitsplätze für Studierende aller Fachrichtungen bietet die filigrane Konstruktion am Zentralcampus direkt neben dem Altgebäude. Jüngst wurde das Studierendenhaus sogar mit dem höchsten europäischen Preis für zeitgenössische Architektur ausgezeichnet.

„Man findet hier wirklich immer einen schönen Platz“, erklärt Bettina Nöhren, Leiterin der Abteilung Hochbau und Instandhaltung (Öffnet in einem neuen Tab) der TU Braunschweig (Öffnet in einem neuen Tab). „Alle Arbeitsplätze sind gleichwertig, man kann sie nach Bedarf arrangieren und von überall nach draußen blicken.“ Möglich mache dies eine vollverglaste Fassade und ein komplett offener Innenbereich, der sich mit schallschluckenden Vorhängen flexibel aufteilen lässt. „Ich halte es auch für ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Studierenden, studentische Arbeitsplätze in dieser Qualität an einem zentralen Platz der Universität zur Verfügung zu stellen“, so die studierte Architektin. Nöhren fungierte bei dem Projekt als Bauherrenvertreterin seitens der TU Braunschweig und war in den gesamten Bauprozess involviert.

Bettina Nöhren, Leiterin der Abteilung Hochbau und Instandhaltung der TU Braunschweig.© Privat

Ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept

2017 lobte die Universität unter den wissenschaftlichen Mitarbeitenden der Architektur (Öffnet in einem neuen Tab) einen Wettbewerb für ein neues Zeichensaalgebäude aus. „Die TU Braunschweig stellt traditionell Zeichensaalplätze für ihre Studierenden zur Verfügung“, so Nöhren. „Die sind für sie wie eine zweite Heimat, da tauschen sie sich aus und lernen voneinander.“ Doch der Bestand war überlastet, und so entschied man sich für einen Neubau im Rahmen eines internen Wettbewerbs. Es gewann der Entwurf der wissenschaftlichen Mitarbeiter Gustav Düsing und Max Hacke. Im weiteren Planungsverlauf fiel der Entschluss, das Gebäude fakultätsübergreifend für alle Studierenden zu öffnen. Das „Studierendenhaus“ war geboren.

Entstanden ist ein filigraner Pavillon aus Glas, Stahl und Holz mit einer quadratischen Grundfläche. Auf mehr als 900 Quadratmetern in zwei Stockwerken zuzüglich überdachter Außenterrasse bietet er Raum für 160 möblierte Arbeitsplätze. Dabei haben die beiden Architekten besonderen Wert auf Nachhaltigkeit gelegt: „Alle verwendeten Materialien sind recyclebar, alle Verbindungen sind geschraubt und nicht verschweißt“, erklärt Nöhren. Dahinter stehe der Gedanke des sogenannten „Design for Disassembly“: „Alles kann in seine Einzelteile zerlegt und einfach entsorgt oder aber anderswo wieder aufgebaut werden.“ Auch eine Umstrukturierung oder Vergrößerung des bestehenden Gebäudes sei möglich.

Doch kann ein Gebäude aus Glas überhaupt energieeffizient betrieben werden? Ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept mache auch dies möglich. So sorgen der weite Dachüberstand und die umliegenden Bäume für eine natürliche Verschattung im Sommer. Die zusätzliche Kühlung im Sommerbetrieb und die Erwärmung im Winterbetrieb erfolgt über eine Fußbodenheizung, die über Erdwärmesonden eingespeist wird. Eine mechanische Steuerung der Fensterflügel sorgt anhand des CO2-Gehalts der Raumluft für einen regelmäßigen Luftaustausch. Einer energieintensiven Klimaanlage bedarf es daher nicht.

Das Studierendenhaus der Technischen Universität Braunschweig.© Leonhard Clemens, TU Braunschweig

Ein Leuchtturm für Braunschweig

Innerhalb kurzer Zeit hat sich das Studierendenhaus als zentraler Lernort auf dem Campus etabliert. „Es ist von morgens bis abends was los, sogar am Wochenende“, so die Bauherrenvertreterin. Manch einer käme extra früh, um noch einen Platz zu ergattern. Doch trotz des regen Treibens herrscht in dem von den Studierenden selbst verwalteten Gebäude stets eine angenehme Raumakustik: „Die Idee war, eine Akustik wie in einer modernen Bibliothek zu schaffen.“ Holzakustikplatten und Akustikwolle in den Boden- und Deckenelementen, Teppichboden und schallschluckende Vorhänge machen ungestörtes Arbeiten überall möglich, ohne von Austausch und Gruppendynamik andernorts beeinträchtigt zu werden. Mittelfristig solle zudem eine Snack Bar integriert werden, um die Aufenthaltsqualität weiter zu erhöhen.

© Kristina Rottig, TU Braunschweig

Auf ungewöhnlich positive Resonanz für ein Universitätsgebäude stößt das Studierendenhaus seit seiner Eröffnung im Januar 2023 auch bei der Fachwelt: Lobende Worte finden sich in fast allen namhaften Architekturzeitschriften, und noch im ersten Jahr wurde das Haus – unter anderem – mit dem Deutschen Architekturpreis ausgezeichnet. Den Höhepunkt bildete 2024 der Mies van der Rohe Award (Öffnet in einem neuen Tab) für zeitgenössische Architektur. Er gilt als der bedeutendste Architekturpreis der Europäischen Union. „Sich unter 365 europaweiten Kandidaten durchzusetzen, ist schon eine besondere Leistung“, so Nöhren. Mit der Realisierung eines derart prestigeträchtigen Projekts sei ein architektonischer Leuchtturm für die Region entstanden: „Sowas spricht sich schnell herum“, freut sich die Bauherrenvertreterin. „Ich erlebe jetzt bereits, dass manche Bewerberinnen und Bewerber als Grund für ihr Interesse auch das Studierendenhaus nennen.“

Text: Stephen Dietl, 23. April 2025


Erläuterungen und Hinweise