Regierungsviertel
Der gründerzeitliche Stadtumbau
Der gründerzeitliche Stadtumbau Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts setzte ein umfangreicher Stadtumbau ein. Mit der Verrohrung von Okergräben und dem Abriss älterer Häuser wurden Flächen für Straßen, große Geschäfts- und Verwaltungsbauten gewonnen.
Auf dem Gelände östlich des Burgbezirks entstand innerhalb von nur drei Jahrzehnten das neue Regierungsviertel mit Neubauten des Staates und der Stadt. Neue Straßen und Plätze sicherten die Erschließung: nach Süden zum Bahnhof die Münzstraße, nach Osten die Dankwardstraße und nach Norden die Casparistraße zum Hagenmarkt.
Die zeitgemäß-repräsentativen, alle „Neo“-Stile aufnehmenden Monumentalbauten wurden städtebaulich geschickt platziert: sie fassen im Süden den Zugang an der Münzstraße (4, 5) und rahmen in weitem Bogen (1, 2, 3) den alten Burgbezirk ein. Der geschwungene Straßenverlauf lässt abwechslungsreiche Raumfolgen mit malerisch-romantischer Wirkung entstehen, stets akzentuiert durch Türme, Giebel und Schaufassaden.
Burg (7) und Rathaus (3) wurden nach Plänen des damaligen Stadtbaurats Ludwig Winter errichtet. Mit Hilfe einer sorgfältigen Komposition von Straßen, Plätzen und Gebäuden mit Schaufassaden als Blickpunkte gelang ihm ein stattlicher Umbau der bislang mittelalterlich geprägten Stadt.
Lage
Der Platz der Deutschen Einheit in Geschichte und Gegenwart
Der Platz vor der Hauptfassade des Rathauses gehört zu den jüngeren Platzanlagen der Braunschweiger Innenstadt. Er ist als Vorplatz des im Jahr 1900 eingeweihten Rathauses entstanden. Ursprünglich gehörte das Areal zum Dombezirk. Im Südosten der Domkirche standen bis zu ihrem Abbruch 1831 die mittelalterlichen Stiftsgebäude mit dem Domkreuzgang. Sie erstreckten sich über die Westhälfte des heutigen Platzes. An seiner Ostseite verlief bis 1878 der Burgmühlengraben als Teil des ursprünglichen innerstädtischen Okerlaufs.
Bis zur Neugestaltung der Stadtmitte nach 1878 wurde der heutige Platz im Süden von der alten Dompropstei, östlich des Grabens von palaisartigen Wohnbauten und an der Nordseite vom Kleinen Mosthof eingefasst.
In den 1870er Jahren entstand ausgehend vom Alten Hauptbahnhof über dem Okerlauf die neue Erschließung des Stadtzentrums über die Friedrich-Wilhelm- und die Münzstraße. Mit dem Bau von Polizeidirektion und Landgericht sowie Rathaus und Regierungsgebäude am Ruhfäutchenplatz entwickelte sich das zentrale Quartier um Dom und Burg somit zu einem Regierungsviertel. An der Ostseite des Rathausplatzes wurde 1882 das Dompfarrhaus errichtet, das im 2. Weltkrieg zerstört wurde.. Zehn Jahre später entstand am Dom ein Sakristeianbau, der heute eine räumliche Trennung zwischen Domplatz und Platz der Deutschen Einheit bewirkt.
Mit dieser städtebaulichen Neuordnung erhielt das ehemals mittelalterlich geprägte Stadtbild um den Dom im ausgehenden 19. Jh einen neuen Maßstab. Die verbliebenen historistischen Bauwerke verleihen dem Quartier bis heute ein urbanes Erscheinungsbild. Nach Umbenennung von Rathausplatz/Langer Hof in Platz der Deutschen Einheit im Jahr 2003 wurde am südlichen Platzrand ein Betonsegment der Berliner Mauer aufgestellt.
Rathaus
Im Rahmen der Umgestaltung des unmittelbaren Stadtzentrums um den Dom und die Burg wurde 1894-1900 auch ein repräsentatives neues Rathaus errichtet. Den Entwurf im neugotischen Stil fertigte Stadtbaurat Ludwig Winter, der auch den Wiederaufbau der Burg Dankwarderode im neoromanischen Stil geplant hatte. Das um einen geschlossenen Innenhof errichtete Rathaus entstand an Stelle ehemaliger Residenzbauten wie dem Kleinen Mosthof und einer Reitbahn.
Der historistische Rathausbau ist in den Formen der westeuropäischen Hochgotik gestaltet. Der städtebaulich äußerst wirkungsvoll platzierte Turm erinnert an die flandrischen Belfriede und ist ein Zeichen bürgerlichen Selbstbewusstseins. Die Schaufassade ist nach Süden zum Platz der Deutschen Einheit ausgerichtet. Dort befindet sich der Haupteingang mit gewölbten Vestibülen und aufwendig gestaltetem Treppenhaus. Das Bauwerk beinhaltet neben dem Ratssitzungssaal mit dem Balkon über dem Haupteingang, weitere Beratungszimmer und zudem durch lange Flure erschlossene Büroräume. Im Inneren ist vor allem das Ludwig-Winter-Zimmer bemerkenswert, in dem noch die originale Ausstattung erhalten ist.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Rathaus nur leicht beschädigt, zerstört wurde jedoch der Ratssitzungssaal mit seiner ursprünglichen Gestaltung und der nach 1945 nicht wiederhergestellte Giebel der Hauptfassade. Die Aussichtsgalerie im Turm kann auf Nachfrage besichtigt werden und bietet eindrucksvolle Perspektiven auf Dom, Burgplatz und die gesamte Stadt.