Heinrich Büssing: Eine Erfolgsgeschichte
1. Die frühen Jahre Heinrich Büssings
Dorfschmiedelehrling, Wandergeselle, Student am Braunschweiger Collegium Carolinum – Konstrukteur und Erfinder.
Heinrich (Johann Friedrich Wilhelm) Büssing wurde am 29. Juni 1843 als zweites Kind und ältester Sohn des Schmiedemeisters Johann Heinrich Friedrich Christian Büssing und seiner Ehefrau Johanna Margaretha Dorothea, geb. Mannecke, geboren. Als Sohn des Dorfschmiedes musste er sehr früh in der Landwirtschaft Hand anlegen und besuchte die einklassige Dorfschule. Nach seiner Schulzeit in Nordsteimke begann er beim Vater eine Schmiedelehre. Bereits 1859 legte er in Vorsfelde vor der „Combinierten Schmiede-Schlosser-und Nagelschmiede-Gilde“ seine Gesellenprüfung ab. Da er zu diesem Zeitpunkt noch keine 18 Jahre alt war, konnte er noch nicht wie allgemein üblich nach den Zunftregeln auf Wanderschaft gehen, um weitere berufliche und persönliche Erfahrungen zu sammeln. Deshalb entschloss er sich, in Braunschweig bei Schmiedemeister Müller in der Schöppenstedter Straße eine Arbeit aufzunehmen. Der Wochenlohn betrug bei freier Kost und Logis einen ganzen Taler. Die Arbeitszeit betrug täglich 13 Stunden.
Am 2. Juni 1861 begab er sich auf Wanderschaft und erreichte nach insgesamt 516 Tagen und einer Strecke von 2.425 Kilometern Ende November 1862 wieder seinen Heimatort. Auf seiner Wanderschaft erkannte Heinrich Büssing, dass die große Zeit des Handwerks sich veränderte und die Industrialisierung rasant fortschritt. Er sah seine Zukunft nicht in der sozialen und wirtschaftlichen Sicherheit in der elterlichen Schmiede, sondern er wollte die industrielle Zukunft mit gestalten.
Um seine handwerklichen Fähigkeiten mit einem wissenschaftlich-theoretischen Wissen zu ergänzen, besuchte er als Gasthörer das „Collegium Carolinum“ in Braunschweig. Hier hörte er Vorlesungen in Maschinenbau und Bautechnik. Dieses aus heutiger Sicht ungewöhnliche Vorgehen von einer einklassigen Dorfschule und einer Schmiedelehre in ein Polytechnikum zu wechseln, lässt ohne Zweifel den Wagemut und den inneren Antrieb Büssings erkennen.
Als jetzt 23-Jähriger versuchte er sich zunächst im Konstruktionsbüro des im Braunschweigischen Eisenbahndienst stehenden Oberingenieurs Wilhelm Clauss. Aber bereits im Jahr 1868/69 beschloss Büssing sich selbständig zu machen. Sein Vorhaben wurde vermutlich beflügelt von der Tatsache, dass in Deutschland im Jahr 1867 die Gewerbefreiheit eingeführt wurde. Dies war besonders für die unternehmerisch denkenden Menschen gravierend, denn es boten sich nun vielfältige Möglichkeiten.
2. Erste Unternehmensgründungen
Büssings Velocipedes-Fabrikation: elegante und funktionelle Fahrräder, die Maschinenbau-Anstalt sowie die Eisenbahn-Signal-Bauanstalt.
Velocipedes-Fabrikation
Im Jahr 1869 eröffnete Büssing in Braunschweig in der Leopoldstraße 23 eine Werkstatt zur Herstellung von Velocipeden. Ständig verbesserte Büssing seine Modelle, gestaltete sie eleganter, funktioneller und zugleich fertigungstechnisch günstiger. Im Juni 1869 verlagerte er das Unternehmen in die Wolfenbütteler Straße 37 in Braunschweig. Eine weitere Geschäftsidee war der Bau von Velocipeden-Karussells, ähnlich eines Kinderkarussels (englisches Modell als Bsp.), die den Betreibern vermutlich gute Einnahmen erbrachten. Diese acht – bis 32-sitzigen „Ringelspiele“ amortisierten sich bereits nach kürzester Zeit. Der große Verdienst Büssings war es, das Fahrrad als Serienprodukt in die deutsche Industrie eingeführt zu haben.
Anerkennenswert war die große Leistung eines 25-jährigen Mannes, der nicht nur die technische Entwicklung seines Produktes forciert hatte, sondern sich als kundiger Geschäftsmann auswies, der für seine Produkte in Briefen, Prospekten und Kleinanzeigen warb. Er war auf Ausstellungen und vertrieb seine Räder über Zwischenhändler. Heute würde man dieses als geschicktes Marketing bezeichnen. Büssing war damit zu einem bedeutenden Fabrikanten seiner Branche in Deutschland geworden.
Am 31. Dezember 1870 meldete er das Gewerbe der Velocipedesfabrik ab.
Gründung der Maschinenbau-Anstalt
Im Jahr 1870 gründete Büssing die Firma Maschinenbau-Anstalt. In einer Annonce von 1870 bot er die Herstellung von Artikeln und Einrichtungen des Maschinenbaus an. Die wirtschaftliche Lage zwang Büssing dazu, diese Werkstatt an Gustav Ungnade zu verkaufen und sie anschließend wieder zu mieten.
Gründung der Eisenbahn-Signal-Bauanstalt und Velocipedes-Reparaturwerkstatt G. Ungnade
Im Oktober 1871 wurde dieses Unternehmen gegründet. Mit zwei Arbeitern beschäftigte sich das Unternehmen mit der Konstruktion und der Anfertigung von Eisenbahnsicherungssystemen. Ungnade fungierte hierbei als Kapitalgeber. Das Unternehmen hatte quasi zwei Geschäftsbereiche. Zum einen die Signaltechnik, zum anderen die Velocipedes-Reparatur. Die Kernkompetenz dieser Firma bestand darin, sich mit dem Thema „Sicherungseinrichtungen im Eisenbahnverkehr“ zu beschäftigen. Die Braunschweigische Eisenbahndirektion beauftragte die Firma mit dem Aufbau der aus England importierten Stellwerke. Dabei hatten die Mitarbeiter und Konstrukteure die Möglichkeit, die englischen Konstruktionen näher kennenzulernen und diese dem System der Deutschen Eisenbahn anzupassen.
Die Vielzahl der Auftragseingänge erforderte jetzt eine Vergrößerung der Kapitaldecke, um für die Produktion entsprechende Investitionen zu tätigen. Damit trat erneut das Problem auf, trotz allem Engagement für neue Erfindungen und Konstruktionen, entsprechende Geldgeber zu finden. Der Druck, letztlich auch im Wettbewerb mit anderen Firmen in der Region, die in dieser Branche tätig waren, führte schließlich zum Ende dieser Firma. Die Firma wurde von Max Jüdel gekauft, der über die finanziellen Ressourcen verfügte und entsprechende Investitionen einleiten konnte.
3. Konstrukteur, Erfinder und Technischer Direktor bei der Firma Max Jüdel & Co
Mehr als 90 Patente: Büssings Entwicklungen der Sicherungstechnik im Eisenbahnverkehr werden weltweit eingesetzt.
Im Jahr 1873 trat Heinrich Büssing seine Tätigkeit bei der Firma Max Jüdel & Co an. Die Firma Jüdel begann in den ersten zehn Jahren die mechanischen Einrichtungen für die Sicherheit des Bahnverkehrs mehr und mehr zu optimieren und hatte sich besonders der zentralen Signal- und Weichenstellung gewidmet. Im Jahre 1873 waren bei Jüdel zwei Ingenieure, einer war Heinrich Büssing, ein Werkmeister und 38 Arbeiter angestellt. Die Zahl der Beschäftigten wuchs bis zum Jahr 1900 auf 90 Ingenieure und Techniker, 40 kaufmännische Beamte und Schreiber, 14 Werkmeister und mehr als 800 Arbeiter und Monteure.
Ende des Jahres 1879 wurde das 100ste Stellwerk hergestellt. Dem vorausgegangen war ein mehr schlecht als recht laufendes Geschäft. Nun gelang der Durchbruch. In mehreren Ländern Europas, wie Österreich, Schweiz, Italien, Schweden und Russland, waren im Jahr 1892 insgesamt 999 Stellwerke mit 12.000 Hebeln, 8.325 Weichen und 4.730 Signalen aufgebaut worden. Dabei waren mehrere tausend Weichen und Signale in kleineren Stellwerken zum Einsatz gekommen.
Richtungsweisende Konstruktionen kommen von Büssing. Mehr als 90 Patente im Eisenbahnsignalwesen tragen seinen Namen. Bis zum Jahr 1903 bleibt Büssing Technisches Vorstandsmitglied. Im Jahre 1906 scheidet er aus dem operativen Geschäft als Vorstand aus und wird in den Aufsichtsrat des Unternehmens gewählt. Dort bleibt er Mitglied bis zum Jahr 1921. Während seiner Zeit bei Jüdel & Co trifft ihn im Jahr 1900 ein schwerer Schicksalsschlag. Seine erste Frau Marie stirbt. Die Firma Jüdel & Co schloss sich 1928 mit Siemens & Halske zusammen. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Werksgelände von Jüdel & Co die Firma Siemens AG mit dem Geschäftsbereich Mobility Division.
4. Gründung der Spezialfabrik für Motorlastwagen und Motoromnibussen und Motoren
Von der Schiene auf die Straße: 1903 ist Büssings erste Lastkraftwagen-Konstruktion fertig, 1904 der erste Büssing-Motor-Omnibus.
Büssing beschäftigte sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr mit der Frage der Mobilität. Seine Idee war, den Transport von Gütern und Menschen nun nicht mehr auf den Schienen, sondern auf den Straßen zu verstärken. Seine beiden Söhne Max und Ernst sollten hierbei in dem Familienbetrieb eine wichtige Rolle spielen.
Seine bisherigen Erfahrungen sagten ihm, dass zunächst Versuche mit seinen Konstruktionen durchgeführt werden müssen, um die Zuverlässigkeit und Sicherheit seiner Produkte zu gewährleisten. Das erste Versuchsfahrzeug zum Experimentieren war die „Graue Katze“.
Am 17. April 1903 meldete Heinrich Büssing sein Gewerbe an. Ab dem 1. Mai 1903 begann bereits die Produktion auf dem Grundstück einer ehemaligen Wäscherei. In Erdgeschoss seines Privathaus in der Elmstraße, das er auf dem in den Jahren um 1890 erworbenen Grundstück baute, richtete er seine Geschäfts- und Konstruktionsräume ein.
Am 22. Oktober 1903 wurde der erste Lastkraftwagen fertiggestellt. Alle bisherigen Erkenntnisse aus den Erprobungen, vor allem mit der „Grauen Katze“, waren als Verbesserungen in die Konstruktion eingeflossen. Angetrieben wurde das Fahrzeug von einem Zweizylinder-Ottomotor mit einer Leistung von 9 PS.
Der Transport bzw. die Beförderung von Personen war für Heinrich Büssing neben dem Transport von Gütern eine weitere Perspektive, sein Unternehmen auszubauen. Hier sah er parallel zur Eisenbahn die Zukunft, denn die Eisenbahn konnte den regionalen Verkehr nur bedingt bedienen.
Am 3. Juni 1904 präsentierte er seinen ersten betriebsfertigen Motor-Omnibus, den er als erster im Linienverkehr betreiben wollte. Es war mit einem 20-PS-Vierzylindermotor mit einem Hubraum von 4,76 Litern versehen und konnte 12 Personen befördern. Das Fahrzeug erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h.
Im Jahre 1905 wurden in Braunschweig 31 Omnibusse produziert. Es zeichnete sich ab, dass die Omnibusproduktion gegenüber der Lastkraftwagenproduktion auf Grund des größeren Interesses höher war. So konnte die Produktion der Omnibusse bereits im Jahre 1906 auf 50 Stück steigen.
Im Jahre 1905 fanden Wettbewerbsfahrten für Lastkraftwagen statt. Büssing schnitt mit seinen Fahrzeugen dabei so gut ab, dass sich auch in anderen Städten wie Stockholm, Wien und Moskau eine Kundschaft etablierte. Reichs- und Landesbehörden, kommunale Wirtschaftsbetriebe und das Militär interessierten sich für den Güter- und Personentransport mit Hilfe von Büssings Motorfahrzeugen.
Durch familiäre Verbindungen kam es 1907 zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Maschinenbauer Anton Fross (Stephan v. Götz & Söhne) in Wien. Dieser hatte 1908 die Tochter Heinrich Büssings, Hedwig (Hete), geheiratet. Büssing übertrug Anton Fross als Handelsbevollmächtigter im Rahmen eines Kooperationsvertrages den Vertrieb seiner Produkte in Österreich und Ungarn.
Bereits im Jahr 1908 kündigte die deutsche Heeresverwaltung die Subventionierung von Lastkraftwagen an. Für Büssing war dieses Programm ein voller Erfolg.
In großer Eile mussten durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges Fahrzeuge für den militärischen Einsatz konstruiert und produziert werden. Schon längere Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte sich das Konstruktionsbüro mit der Konstruktion von „Sonderfahrzeugen“ beschäftigt. Für militärische Zwecke wurden jetzt Panzerwagen und Raupenfahrzeuge produziert.
In den Wirren nach dem Ersten Weltkrieg geriet das Unternehmen in eine schwierige Situation. Die Belegschaft seines Werkes weigerte sich, die im Januar 1919 aufgehobene Akkordarbeit wieder aufzunehmen. Vorausgegengen war die am 8. Januar geschlossene Vereinbarung zwischen der Direktion Büssings und dem neu gebildeten Arbeiterausschuss, die Akkordarbeit durch Lohnarbeit (Zeitlohn) zu ersetzen. Nach mehreren Schlichtungsversuchen schloss Heinrich Büssing seine Firma für drei Monate und löste mit diesem unternehmerischen Schritt einen schweren Arbeitskonflikt aus. Schließlich stellte er die Mitarbeiter, die zu seinen Bedingungen die Arbeit wieder aufnehmen wollten, wieder ein.
Nach diesem Konflikt zog sich Heinrich Büssing im Jahre 1920 aus der operativen Leitung seines Unternehmens zurück. Es folgte am 2. Oktober 1920 eine Änderung der Rechtsform von einer Familien oHG in eine Familien KG. Max Büssing und Büssings Schwager Paul Werners wurden persönlich haftende Gesellschafter. Heinrich Büssing wechselte in den Aufsichtsrat.
Am 1. September 1924 wurde das Unternehmen in „Automobilwerke H. Büssing AG Braunschweig“ umgewandelt. Durch den Ingenieur Willy Staniewicz wurde die Entwicklung des Sechsradwagens oder Dreiachser sowohl als Lastkraftwagen, wie auch als Omnibus vorangetrieben.
Im Jahre 1929 stammen 98 % aller deutschen Dreiachs-Omnibusse von Büssing.
5. Gründung der Omnibuslinie Wendeburg-Braunschweig
Die erste Omnibuslinie der Welt, die neben ihren Passagieren auch Postgut befördern durfte.
Büssing erkannte, dass Herstellung und Produktion von Omnibussen und Betrieb einer Omnibuslinie unabhängig voneinander existieren müssen. Deshalb entschloss er sich für den Betrieb dieser Omnibuslinie eine eigene Gesellschaft zu gründen. Im Juni 1904 gründete er die Gesellschaft „Automobil-Omnibus-Betriebs-Gesellschaft Braunschweig Heinrich Büssing“. Die erste Linie von Wendeburg nach Braunschweig wurde am 5. Juni 1904 unter dem Beifall der Bevölkerung eröffnet. Für die ländliche Bevölkerung war es nun möglich, unkompliziert nach Braunschweig zu kommen, denn der Omnibus fuhr nach einem Fahrplan. Kurze Zeit später wurden die Linien regional erweitert. Eine Besonderheit war, dass Büssing mit der Oberpostdirektion einen Vertrag zur Beförderung von Postgut abschloss. Die erste Omnibuslinie der Welt, die neben ihren Passagieren Postgut befördern durfte, war ins Leben gerufen und Büssing erzielte damit kontinuierlichen Umsatz.
Im Jahr 1920 wurde diese Gesellschaft von der 1919 gegründeten Kraftverkehrsgesellschaft Braunschweig (KVG) übernommen. Noch heute erinnert ein Gedenkstein in der Ortsmitte von Wendeburg an dieses historische Ereignis.
6. Gründung der Lastkraftwagen-Betriebsgesellschaft Braunschweig GmbH
Büssing vereint Beförderung und Erprobung der Fahrzeuge in einer Firma.
Am 12. Februar 1909 beauftragte Heinrich Büssing persönlich seinen engen Mitarbeiter, den Ingenieur Willy Staniewizc, damit, diese Gesellschaft zu leiten. Büssing hatte die Gesellschaft mit dem Zusatz Büssing-Lastkraftwagen-Betrieb-Berlin gegründet, um seine Fahrzeuge im täglichen Einsatz zu testen und infolge dessen Optimierungen im konstruktiven Bereich vornehmen zu können. Staniewicz musste ihm kontinuierlich mögliche Schwachstellen der Fahrzeuge melden, die anschließend der Konstruktionsabteilung vorgelegt wurden. Die Fahrzeuge kamen für Gütertransporte und Brauereien zum Einsatz. Als die Tests nach etwa einem Jahr abgeschlossen waren, wurde die Gesellschaft aufgelöst.
7. Gründung der Firma Elastische Radbereifung, Pneumelasticum mbH.
Die Geburt der heutigen Lkw-Luftbereifung im Jahr 1906: Ein weiteres Patent Heinrich Büssings.
Heinrich Büssing befasste sich mit dem Thema der Bereifung seiner Fahrzeuge. Die bisher verwendeten Vollgummiräder erfüllten nicht mehr seine Qualitätsansprüche. Durch das Walken des Gummis auf unebenen Straßen erhitzen sich die Vollgummiräder so stark, dass dies zu Entzündungen führte und die Räder zu brennen anfingen. Die Versicherungen waren nicht mehr bereit, die Fahrzeuge zu versichern. Seine Idee war, eine elastische Reifenfüllung zu entwickeln, die später in einer elastischen Radbereifung ihre Vollendung fand. Bereits im Mai 1906 hatte Büssing eine Zusammenarbeit mit der Firma Continental Hannover unternommen. Dies war die Geburt der heutigen Luftbereifung für Lastkraftwagen. Im Jahr 1913, nachdem die neue Bereifung ausreichend erprobt war, entschloss Büssing sich schließlich, die Firma Pneumelasticum mbH zu gründen.
8. Expansion der Firma BÜSSING durch Innovation und Globalisierung
Erfolgreiches Exportgeschäft in das europäische Ausland ab 1904 und Vertretungen in vielen Ländern von den Niederlanden bis nach Moskau.
Schon sehr früh erkannte Büssing, dass die Märkte für seine Produkte nicht nur auf Deutschland beschränkt sein dürfen. Er verspürte durch die Nachfragen auf den Automobilausstellungen das Interesse der ausländischen Kunden.
Die ersten Exporte begannen mit dem Verkauf von Omnibussen nach England am 10. August 1904. In Kooperation mit der Firma Sidney Straker & Squire Ltd. wurden Omnibusse nach England geliefert. Diese Aufträge wurden von seinem Sohn Max betreut. Das Geschäft erwies sich als sehr erfolgreich und richtungsweisend.
Durch familiäre Verbindungen kam es 1907 zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Maschinenbauer Anton Fross (Stephan v. Götz & Söhne) in Wien. Am 31. August 1907 kam es zu einem Vertrag zwischen der Firma H. Büssing Spezialfabrik für Motor- Omnibusse, Lastwagen und Bootsmotoren in Braunschweig und Anton Fross, Handelsbevollmächtigter in Wien. Durch diesen Vertrag war es möglich geworden, Fahrzeuge in Österreich, Ungarn und dem Balkan zu vertreiben.
Nachdem Büssing seine Luftbereifung in Deutschland patentiert hatte, kam es zu weiteren Patentrechten in den Vereinigten Staaten von Amerika, Österreich, Ungarn, Italien und England.
Im Jahr 1908 begann Büssing Vertretungen in St. Petersburg, Moskau, Kiew, Odessa, Riga, Warschau und in den Niederlanden aufzubauen.
9. Förderung der Technischen Hochschule Braunschweig
Heinrich Büssing fördert Ausbildung und Forschung im Fahrzeugbau und in der Flugtechnik. Entsprechende Institute werden mit seinen Spenden gegründet.
Schon seit geraumer Zeit hatte sich Heinrich Büssing als Förderer der Technischen Hochschule gesehen. Er wollte sicherlich etwas von dem zurückgeben, was er durch diese Hochschule erreicht hatte. Andererseits legte er großen Wert darauf, dass seine Produkte durch ein wissenschaftliches Institut geprüft wurden und er Erkenntnisse gewinnen konnte, die zu einer Verbesserung der Fahrzeuge führten. Der Werbeaspekt war hier auch nicht ganz unerheblich. Gleichzeitig hatte er die Möglichkeit, personellen Nachwuchs für seine Unternehmen aus dieser Verbindung zu gewinnen. Am 30. November 1916, also mitten im Ersten Weltkrieg, kündigte er die Stiftung von 50.000,-Mark für Lehr-und Forschungszwecke an, die zur Gründung eines automobiltechnischen sowie eines flugtechnischen Instituts verwendet werden sollten. Seine Förderung stellte das bisherige private Engagement verschiedenen Privatpersonen in den Schatten. Weitere Spenden sollten folgen. Dabei präzisierte er sehr genau den Verwendungszweck des Geldes.
Heinrich Büssing war eines der Gründungsmitglieder des Braunschweigischen Hochschulbundes (BHB) und nutzte, nachdem er seine bahnbrechenden Erfindungen in wirtschaftliche Erfolge umsetzen konnte, seine Möglichkeiten, die TU Braunschweig in erheblichem Maße finanziell zu unterstützen. Damit gab er der Forschung und Lehre in Braunschweig wichtige Impulse. Dieses vorbildliche Engagement war Anlass für den BHB, den Preis der Stiftung zur Förderung der Wissenschaften an der Carolo-Wilhelmina mit dem Namen Heinrich Büssing zu verbinden. In Braunschweig ist die Forschung zu Hause, dieser Slogan gilt damals wie heute.
10. Soziale Einrichtungen, Stiftungen Heinrich Büssings
Einen entscheidenden Anteil am Unternehmenserfolg schreibt Büssing seinen Beschäftigten zu – ein Grund für sein hohes soziales Engagement.
Heinrich Büssing hatte schon sehr früh bei Max Jüdel erlebt, wie sich soziales Engagement auf die Kontinuität bei der Belegschaft und damit auch ihre Identifikation mit dem Unternehmen ausgewirkt hatte. Immer wieder betonte er, dass der Erfolg einer Unternehmung letztlich zu einem großen Teil der Belegschaft zu verdanken sei. Er fühlte sich deshalb seiner Belegschaft gegenüber verantwortlich und verpflichtet und unterstütze sie in Notzeiten.
Dennoch entschied Büssing sich im Jahr 1919, zu der Zeit der Arbeiterkämpfe im Kontext der Einführung der Akkordarbeit, alle Mitarbeiter zu entlassen und seinen Betrieb zu schließen. Es war durch revolutionäre Kräfte zu Konflikten im Unternehmen gekommen und die Produktion durch mehrere Streiks zeitweise lahmgelegt. Nachdem der Arbeiterausschuss einer Einführung der Akkordarbeit zugestimmt hatte, stellte er einen großen Teil der Belegschaft wieder ein. Die Produktion konnte wiederaufgenommen werden. In dieser Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war die Not der Menschen besonders groß. Diese dramatischen Ereignisse, die einerseits zu Konflikten mit der Belegschaft geführt hatten, ließen ihn andererseits nicht davon abbringen, sich der sozialen Verantwortung zu stellen. Er hatte selbst in seiner persönlichen Entwicklung schwere Zeiten erlebt. So war es für Büssing trotz allem ein wichtiges Anliegen, seine Mitarbeiter mit Sozialleistungen zu unterstützen. Anlässlich seines 70. Geburtstages wurde die „Dr. – Heinrich – Büssing - Stiftung“ am 29. Juni 1913 gegründet. In der Stiftungsurkunde wurde beschrieben, das „hilfsbedürftige und würdige Mitarbeiter der Firma zu unterstützen“ seien. Zeitgleich gründete auch seine Frau die „Anne-Büssing-Stiftung“.
Die Gründung einer Kranken- und Sterbegeldzuschusskasse, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, geht auch auf seine Initiative zurück. Mit seiner starken Unterstützung wurde die Familienhilfskasse der Werksangehörigen der „Firma H. Büssing, Motorlastwagen- und Motorenfabrik, Braunschweig“ gegründet. Monatlich zahlte die Firma einen Zuschuss in diese Kasse.
In der Siedlung Torfhaus im Harz wurde von der Firma Büssing die alte Försterei gepachtet. Nach umfangreichen Umbau-und Sanierungsmaßnahmen entstand hier das „Dr. Heinrich-Büssing-Erholungsheim“ für die Werksangehörigen und ihren Familien. Diese konnten hier einen für sie finanziell erschwinglichen Urlaub verbringen. Gab es zu viele Anfragen, wurden Pensionen zu diesem Zweck gemietet.
11. Ehrungen und Würdigungen Heinrich Büssings (Auszug)
Vom Ritterkreuz bis Ehrenbürger: Büssings Lebensleistungen wurden vielfach gewürdigt.
12. Erinnerungen an Heinrich Büssing
Büssings Warenzeichen mit dem Braunschweiger Löwe auf den Fahrzeugen der MAN Truck & Bus erinnert an ihn. Sein Name ist in Braunschweig allgegenwärtig.
Der Braunschweiger Löwe als Markenzeichen bei MAN Truck & Bus
Um seinem Unternehmen eine Identität sowohl nach innen, als auch nach außen zu geben, entschloss sich Heinrich Büssing, ein Warenzeichen oder „Logo“ zu verwenden, das er als einprägsames Signum auf Plakaten zu Werbungszwecke einsetzen konnte. Büssing bat nach dem Vorbild des vor der Burg Dankwarderode stehenden Löwen den Landschaftsmaler und Plakatkünstler Hermann Fischer das Zeichen des Löwen zu gestalten. Fischer gestaltete ein Plakat, das diesen Löwen zeigte. Alle Fahrzeuge und Geschäftspapiere trugen ab 1913 dieses Logo.
Der Löwe befand sich nun gut sichbar auf dem markanten Kühler aller Büssing-Fahrzeuge. Auch wenn dieser in seiner Form und Funktionalität mehrfach verändert wurde, behielt das Markenzeichen Büssings dort seinen Platz. MAN Truck & Bus übernahm den Löwen für ihr Firmenlogo. Und auch auf allen MAN-Fahrzeugen befindet sich dieser Löwe bis heute.
Museen und Ausstellungen
Erinnerungsstücke an Heinrich Büssings Leben und Werk sind in verschiedenen deutschen Ausstellungen zu sehen.
Heinrich-Büssing-Preis
Der Braunschweigische Hochschulbund e. V. verleiht jährlich den Heinrich-Büssing-Preis für herausragende Dissertationen und Habilitationen, die an der Technischen Universität Braunschweig entstanden sind. Der Preis soll nicht nur junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finanziell fördern, sondern auch deren bemerkenswerte Leistungen der Öffentlichkeit vorstellen.
Heinrich-Büssing-Schule, Berufsbildende Schulen Technik Braunschweig
Die Berufsbildende Schule sieht sich als Kompetenzzentrum für Technik in Braunschweig. Das Spektrum des Lernangebot für die schulische Ausbildung besteht aus Angeboten für Elektrotechnik, Metalltechnik, Fahrzeugtechnik und Informationstechnik.
Heinrich Büssing Technik und Geschichte e. V.
Die Mitglieder des Vereins widmen sich der Pflege und der Geschichte historischer Nutzfahrzeuge.
Heinrich-Büssing-Hof am Heinrich-Büssing-Ring
Büssings Name ziert die große Außenfassade des von ihm 1903 erbauten Gebäudes am Heinrich-Büssing-Hof.
13. Tod Heinrich Büssings
Am 27. Oktober 1929 stirbt der Geheime Baurat Dr. Ing e.h. Heinrich Büssing im Alter von 86 Jahren. Weltweit berichtete die Presse über den Tod des „Lastwagenkönigs“.
Familiengrab Hauptfriedhof Braunschweig
Das Ehrengrab Heinrich Büssings befindet sich auf dem Hauptfriedhof Braunschweig 15 FB 12.