Rühme - Das Schunterdorf
Ein Spargeldorf wird Gewerbegebiet
Erste vorgeschichtliche Siedlungshinweise auf der Rühmer Gemarkung sind bekannt. Die nicht mehr vorhandenen Dünen am Schunterhochufer waren u. a. Bestattungsplätze der Bronze- und Eisenzeit. Steinäxte und Werkzeuge aus Silexmaterial bezeugen ältere Kulturen in der Gemarkung. Rühme ist ein kleines Haufendorf unmittelbar am westlichen Ufer der "Schunter". Die Bauernhöfe befanden sich auf einem Dünenrücken, der sich bis an die Schunter heranzog. In dem Steterburger Kopialbuch wird am 24.01.1007 das Dorf Rühme unter dem Namen "Riudum" erstmalig erwähnt und dem Steterburger Stift verpflichtet. Mit der Gründung der Magnikirche im Jahr 1031, unter dem Halberstädter Bistum, wird Riudum der St. Magni Kirche zugeordnet und verpflichtet. Das Pfarrverhältnis bestand bis in das Jahr 1948.
Bis 1936 war Rühme ein Dorf ohne eigene Kirche, ohne eigene Pfarrstelle und ohne eigenen Friedhof. Im 15. Jahrhundert wird die Befestigung der Stadt Braunschweig erweitert und Teile des Dorfes Rühme werden in diese Befestigung mit einbezogen. Es wird ein Grenzdorf, ein sogenanntes "Pfahldorf". Die Gemeinde befindet sich innerhalb des Befestigungsringes der Stadt, die Einwohner genießen Anteile an den Bürger- und Stadtrechten und unterliegen dem "Pfahlgericht". An der Landwehr, westlich der Dorflage, entstanden der Wendenturm, eine Zollstation sowie eine Schmiede. 11 Hofstellen bestanden im Jahr 1852, wovon sechs Hofstellen in diesem Jahr abbrannten. Im gleichen Jahr wurden diese vernichteten Hofstellen am westlichen Hochufer der Schunter, an der heutigen Osterbergstraße, wieder aufgebaut.
Rühme war ein kleines Dorf mit landwirtschaftlicher Struktur. Mit dem Beginn der Industrialisierung entwickelten sich Handwerksbetriebe, wurden eine Zichorienfabrik und eine Konservenfabrik gegründet. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts waren ca. 60 % der Rühmer Ackerflächen mit Spargel bebaut. Der Begriff des "Spargeldorfes" wurde zu Recht geführt. Zu diesem Zeitpunkt besaß Rühme 300 Einwohner. Mit dem Bau der "Reichsautobahn" und des Hafens in der Gemarkung "Veltenhof" veränderte sich die Struktur des Dorfes. Der Industrie- und Personenverkehr durchschnitt die Rühmer Ortslage. Kleine und mittlere Gewerbebetriebe siedelten sich an der Gifhorner Straße an. Die Bevölkerungszahl stieg auf über 1000 Personen an. Im Jahr 1934 erfolgte die Eingemeindung in die Stadt Braunschweig auf dem Verordnungswege. 1936 wurde ein 22,5 ha großes Gebiet der südlichen Rühmer Gemarkung für den Bau des VW-Werkes und den Bau der Vorwerk-Siedlung mit 600 Wohnungen erschlossen. 1939 wurde begonnen eine Eigenheimsiedlung für junge Familien zwischen der Gifhorner und der Osterbergstraße zu errichten. Rühmes Ortslage erweiterte sich nach Norden, Bau der "Lincoln-Siedlung". Die neue Schule, erbaut 1952, erwies sich als zu klein. Die Bevölkerungszahl hatte sich in 40 Jahren verzehnfacht.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges fanden Braunschweiger und Vertriebene in dem Dorf eine neue Heimat. Die Bevölkerungsentwicklung und die Gründung des Gewerbegebietes "Hansestraße" ließen den dörflichen Charakter eines "Spargeldorfes" verloren gehen. Diese Entwicklung erforderte auch eine verkehrstechnische Erschließung dieses Gebietes. Es erfolgte der Bau einer neuen Straßenbahnführung, die bis Wenden fortgeführt wurde. Nach Jahren ohne jede Einkaufsmöglichkeit ist Rühme heute ein Stadtteil mit sehr guter Verkehrsanbindung, großem Einkaufszentrum, zweier Kirchen, zweier Schulen, einem Kindergarten, einer Arztpraxis, einer Apotheke und einem lebendigen Vereinsleben. Die Schunterauen sind ein Landschaftsschutzgebiet geworden, welches Möglichkeiten zur Erholung und zur Tierbeobachtung bietet. Der ursprüngliche dörfliche Charakter ist nicht mehr vorhanden. Einige wenige ausgewiesene Denkmale sind Zeitzeugen der Vergangenheit, wie die Reste der Landwehr, der Wendenturm, einige Bauernhöfe und Wohnhäuser und das Kriegerdenkmal.
Sigrid Knopf
Merkzahlen für Rühme:
1007: Erste urkundliche Erwähnung
1031: Rühme kommt zum Sprengel der Magnikirche
1400: Rühme wird ein sogenanntes "Pfahldorf"
1679: Verkauf des Münzberges für 25 Taler
1852: Großbrand: sechs der elf Hofstellen brennen ab
1934: Eingemeindung in die Stadt Braunschweig