Standortkonzept Flüchtlingsunterbringung
Vorstellung der 16 dezentralen Standorte für Flüchtlingsunterkünfte
Weil der Stadt Braunschweig voraussichtlich ab kommendem Jahr 2016 vom Land Niedersachsen Flüchtlinge zur Unterbringung zugewiesen werden, hat die Verwaltung ein Standortkonzept für Flüchtlingsunterkünfte entwickelt. Gemeinsam mit weiteren Vertreterinnen und Vertretern der Verwaltung stellte Oberbürgermeister Ulrich Markurth dieses Konzept am 27. November zunächst den Mitgliedern des Rates und der Stadtbezirksräte und anschließend den Medien vor. Der Rat soll am 21. Dezember über das Konzept entscheiden. Es sieht 16 dezentrale Standorte für Flüchtlingsunterkünfte im Stadtgebiet vor.
„Die Flüchtlingsproblematik stellt die Bundesrepublik Deutschland vor eine der größten Herausforderungen ihrer Geschichte“, sagte Oberbürgermeister Ulrich Markurth. „Diese Herausforderung geht an Braunschweig nicht vorüber. Wir können uns der Aufgabe, vor die wir gestellt werden, nicht verweigern, sondern wir müssen sie anpacken – gemeinsam, überlegt und entschlossen. Ich rufe alle Braunschweigerinnen und Braunschweiger dazu auf, mitzuhelfen, dass wir diese Herausforderung meistern. Flüchtlinge, die in unsere Stadt kommen, werden wir menschenwürdig unterbringen. Es bedarf aber der Solidarität und der Anstrengung der gesamten Bürgerschaft, damit es uns gelingt, den Frauen, Männern und Kindern, die bei uns bleiben, nicht nur ein Dach über dem Kopf zu geben, sondern sie zu integrieren und zu einem Teil unserer Stadtgesellschaft zu machen.“
Das dezentrale Konzept sieht 16 Standorte für Flüchtlingsunterkünfte vor, in denen jeweils in der Regel bis zu etwa 100 Personen untergebracht werden können (mögliche Ausnahme: altes Kreiswehrersatzamt). Bei der sukzessiven Umsetzung beginnend im nächsten Jahr gibt es keine festgelegte Reihenfolge – sie richtet sich nach den Erfordernissen und nach den Möglichkeiten der baulichen und organisatorischen Realisierung. Die Verwaltung wird vor Beginn in den jeweiligen Stadtbezirken weitere Informationsveranstaltungen durchführen. Sie geht davon aus, dass die genaue Zahl der Flüchtlinge, mit deren Zuweisung Braunschweig im nächsten Jahr zu rechnen hat, im Laufe des Monats Dezember festgelegt werden wird.
Nach einer ersten groben Schätzung, die eine jährliche Aufnahme in städtischer Zuständigkeit von 1000 Flüchtlingen unterstellt, wären von der Stadt rund 80 Millionen Euro in ihrer Haushaltsplanung bis 2019 für die Unterbringung der Flüchtlinge zu berücksichtigen. Dieser Betrag beinhaltet Investitionskosten von geschätzt 25 Millionen Euro für die Erstellung von Unterkünften für 1000 Personen.
Hierbei ist berücksichtigt, dass die staatliche Erstattung der entstehenden Kosten die tatsächlich in Braunschweig zu erwartenden Kosten nach derzeitigem Stand bei weitem nicht decken wird. Hinzu kommt noch, dass die Stadt nach jetziger Regelung Erstattungsleistungen immer erst mit Verzug erhält. Dementsprechend wäre mit einer ersten Erstattungsrate erst im Jahr 2017 zu rechnen. Die Stadt Braunschweig fordert über Ihre kommunalen Spitzenverbände auf Bundes- und Landesebene eine Erstattungsregelung, die auch Großstädte in Höhe der wirklich anfallenden Kosten zeitnah entlastet.
Insgesamt soll die Unterbringung der Flüchtlinge nach folgendem Szenario verlaufen:
Phase 1: Erstaufnahme durch die Stadt in großen Unterkünften
Aufgrund der Erfahrungen in anderen Kommunen ist damit zu rechnen, dass auch Braunschweig mit nur kurzer Vorlaufzeit Flüchtlinge zugewiesen werden. Da Wohnraum knapp ist und die ersten Wohneinheiten für Flüchtlinge voraussichtlich noch nicht fertiggestellt sein werden, müssen sie zunächst in städtischen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht und versorgt werden. Nach derzeitiger Planung kommen dafür zunächst nur Sporthallen in Frage. Diese sollen möglichst nicht mit einer öffentlichen Schule verbunden, sondern freistehend sein. Als Aufnahmeeinrichtungen dieser Art sind zunächst zwei Sporthallen (Naumburgstraße mit rund 200 Plätzen und Sporthalle Watenbüttel mit rund 130 Plätzen) vorgesehen. Sofern diese Plätze nicht ausreichen, soll als dritte Halle die Sporthalle in der Moselstraße mit rund 65 Plätzen genutzt werden.
Alle Hallen müssen zuvor entsprechend hergerichtet werden. Es wird geprüft, ob der Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtungen von einem Träger übernommen werden kann. Sollte es möglich sein, andere Immobilien als Erstaufnahmeeinrichtungen zur Verfügung zu stellen, würden diese den Sporthallen vorgezogen. Hier besteht aber noch Klärungsbedarf. Dies betrifft insbesondere eine mögliche Nutzung des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes, sei es als Erstaufnahmeeinrichtung oder als dezentrale Unterkunft.
Phase 2: Befristete Aufnahme in großen Wohneinheiten bis zur Entscheidung über den Asylantrag
Die Flüchtlinge sollen so kurz wie möglich in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden – auch, damit nachfolgende Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen Platz finden. Deshalb wurde ein Konzept entwickelt für schlichte, zweistöckige Wohneinheiten.
Kriterien für die Standortsuche waren:
- dezentrale Verteilung
- 50 bis 100 Personen pro Standort
- keine peripheren Lagen ohne Infrastruktur
- Standorte möglichst integriert oder direkt am Siedlungsrand
- Flächen möglichst im Eigentum der Stadt
- Ortsteile mit jetzt schon hoher Integrationsleistung (Kralenriede, Weststadt und westliches Ringgebiet) sollen möglichst nicht zusätzlich belastet werden
Es wurden bei der Erfassung möglicher Standorte im gesamten Stadtgebiet diverse Faktoren von den zuständigen Fachdienststellen der Verwaltung untersucht und bewertet: Lage, derzeitige Planungsziele, Sozialverträglichkeit, Verträglichkeit mit Nachbarnutzungen, Nahversorgung, Erschließung im Blick auf ÖPNV und Individualverkehr, schulische Versorgung, technische Erschließung (insbesondere Strom, Wasser und Abwasser), eigentumsrechtliche Situation und Planungsrecht. Als Resultat ergaben sich 16 mögliche Standorte für dezentrale Unterkünfte (in alphabetischer Reihenfolge):
- Bienrode, Im großen Moore
- Gartenstadt, Elzweg
- Gliesmarode, Hungerkamp
- Hondelage, Ackerweg
- Lamme, Bruchstieg
- Melverode, Glogaustraße
- Ölper, Biberweg
- Östliches Ringgebiet, ehemaliges Kreiswehrersatzamt
- Rautheim, Braunschweiger Straße
- Rühme, Flachsrottenweg
- Rüningen, Unterstraße
- Siegfriedviertel, Beethovenstraße
- Stöckheim, Mascheroder Weg
- TU, Mendelssohnstraße
- Volkmarode, Ziegelwiese-Ost
- Watenbüttel, Celler Heerstraße
Phase 3: Integration in den regulären Wohnungsmarkt
Integration gelingt leichter, wenn Menschen mit Migrationshintergrund dezentral in normalen Wohnungen wohnen. Die Flüchtlinge sollen deshalb möglichst nach der Anerkennung als Asylberechtigte reguläre Wohnungen anmieten und aus der großen Wohneinheit ausziehen können. Bei positiv beschiedenem Asylantrag genießen sie dauerhafte Freizügigkeit.
Bisher wurden dem Fachbereich Soziales und Gesundheit lediglich rund 60 mögliche Wohnungen für Flüchtlinge gemeldet. Diese Zahl reicht erkennbar nicht aus. Wohnungsbauprogramme zur Schaffung von entsprechendem Wohnraum für alle Personen mit schwierigem Zugang zum Wohnungsmarkt (also nicht nur Flüchtlinge) müssen deshalb vorangetrieben werden. Außerdem sind öffentliche Aufrufe geplant, um vorhandenen, aber nicht genutzten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Die Verwaltung wird darauf achten, dass sich kein Ungleichgewicht zu den bereits Wohnungssuchenden in Braunschweig ergibt und keine „Ghettos“ entstehen. Sofern nicht anders möglich, werden die Flüchtlinge aber auch dauerhaft in den Unterkünften des Standortkonzeptes wohnen. Werden sie irgendwann nicht mehr für Flüchtlinge benötigt, können sie zum Beispiel zu Studentenwohnungen o. ä. umgewandelt werden.
Die Frage der Unterbringung ist nicht die einzige Aufgabe, die die Stadt im Blick auf die Zuweisung von Flüchtlingen zu lösen haben wird:
- Kita- und Schulplanungen müssen angepasst werden;
- Sprach- und Integrationskurse sind anzubieten, weil das Erlernen der deutschen Sprache unabdingbare Voraussetzung für die Integration ist;
- Verwaltung wie Jobcenter werden zusätzliches Personal und Räume für die Umsetzung des Unterbringungs- und Integrationskonzeptes benötigen.
Eine Beschlussvorlage über das Konzept wird in den nächsten Tagen in den Gremienlauf gebracht, damit der Rat am 21. Dezember darüber entscheiden kann. Auch die betroffenen Stadtbezirksräte werden angehört. Gegebenenfalls werden Anregungen in Ergänzungsvorlagen aufgegriffen. Alle Informationen über das Standortkonzept finden sich auf www.braunschweig.de. Ab sofort wird die Mailadresse standortkonzept-fluechtlingebraunschweigde freigeschaltet. Bis Dienstag, 15. Dezember, können Bürgerinnen und Bürger Anregungen und Anmerkungen zum vorliegenden Standortkonzept direkt an die bearbeitenden Stellen in der Stadtverwaltung senden. Die Anmerkungen werden ausgewertet. Wichtige Hinweise werden in der Ergänzungsvorlage zum Ratsbeschluss am Montag, 21. Dezember einfließen.