Berliner Straße - Bahnhof Gliesmarode
Ältere Braunschweiger fragen sich vielleicht, welcher Bahnhof „Gliesmarode“ gemeint ist. Gab es doch vier im Umkreis: Gliesmarode West, Gliesmarode Ost, Braunschweig Nordost, Gliesmarode Reichsbahn. Uns interessiert hier vor allem die Geschichte des letztgenannten und ältesten, dem an der Berliner Straße gelegenen.
Die derzeitige Umgestaltung dieses Bahnhofsgeländes nehmen wir zum Anlaß, einen Blick auf seine Geschichte zu werfen.Viele von uns, die im Östlichen Ringgebiet leben, werden den Bahnhof schon einmal bei einem Spaziergang gesehen haben oder sogar dort selbst ein- oder ausgestiegen sein.
Und so begann es:
Ab circa 1850 gab es Überlegungen, den Bahnverkehr im Herzogtum Braunschweig weiter auszubauen.
Nach Streitereien bezüglich der genauen Streckenführung wurde im Jahr 1893 mit dem Gleisausbau begonnen, und bereits am 1.Mai 1894 wurde der Bahnhof feierlich eröffnet. Die Preußische Staatsbahn nahm den Haltepunkt Gliesmarode nun offiziell in Betrieb.
Dieser diente damals ausschließlich dem Personenverkehr auf der Strecke Braunschweig - Meine; ab dem 1.Dezember 1900 erfolgte die Streckenerweiterung nach Braunschweig - Uelzen. Lediglich ein Beamter für den Fahrkartenverkauf wurde benötigt, da sich der Besucheransturm noch in Grenzen hielt.
Mit Einführung der elektrischen Straßenbahn wurde ab Dezember 1897 Gliesmarode mit der sogenannten Roten Linie (später Straßenbahnlinie 3) an das Straßenbahnnetz Westbahnhof – Gliesmarode angeschlossen. Hierdurch stieg auch das Fahrgastaufkommen am Bahnhof deutlich.
Im Jahr 1933 lag bei einer Verkehrszählung der Bahnhof Gliesmarode weit vorn in seiner Klasse, was natürlich auch mehr Bedienstete zur Folge hatte. So musste sich der Bahnvorsteher mit der Fahrkartenausgabe und dem Fahrdienstleiter einen Raum teilen. Wegen seiner Bedeutung sollte der Vorsteher eigentlich in einem separaten Empfangsgebäude untergebracht werden . Da dies aufgrund des geringen Raumes allerdings nicht möglich war, wohnte sein Vertreter in einem Wohnhaus unterhalb des Bahnhofs. Er selbst teilte sich mit dem Bahnmeister ein Wohnhaus Ecke Soolanger.
1938 erhielt der Bahnhof dann im Zuge der Übernahme der Braunschweigischen Landeseisenbahn (BLE) durch die Reichsbahn (RB) seine größte Bedeutung wegen der zusätzlichen Verbindung nach Fallersleben und nach Wolfsburg. Der Grund hierfür waren die Entstehung und der Ausbau des Volkswagenwerkes. Damit wuchs automatisch auch das Güter- und Personenaufkommen. Dieser Ausbau erforderte auch ein zusätzliches Fahrdienstleiterstellwerk, welches im Empfangsgebäude untergebracht wurde.
In den 1950er Jahren herrschte an der Fahrkartenausgabe Hochbetrieb, sie war rund um die Uhr und sogar an Sonn- und Feiertagen besetzt. Im gleichen Jahr wurde auch das Empfangsgebäude ganz erheblich verkleinert. So verlor es beispielsweise sein charakteristisches Spitzdach und die Dienststelle wurde im tiefergelegenen Wohnhaus (heute Berliner Straße 119) untergebracht. Allerdings wurde bereits ab 1962 der Personenverkehr nach Celle eingestellt und auch der Gütertransport wurde stark reduziert.
Vielleicht lag dies auch an der mangelnden Bekanntheit, wurde doch verschiedentlich noch in den 1990er Jahren bemängelt, daß der Bahnhof Gliesmarode zu unbekannt und noch dazu nur unzureichend ausgeschildert sei. Immerhin wußten Insider dies zu ihrem Vorteil zu nutzen, waren doch die Fahrkarten ab Gliesmarode auf vielen Strecken deutlich günstiger als die ab dem Hauptbahnhof gelösten.
Inzwischen sind die Verbindungen nach Celle und Fallersleben ganz gekappt, und es verbleiben nur die Güterverkehrslinien zum Hafen und Watenbüttel sowie der Personenverkehr in Richtung Uelzen. Fahrgastzahlen über 1000 an einem Tag wie im Juni 1985, als die gesamte Grundschule Heinrichstraße mit Lehrern, Schülern und Angehörigen einen Ausflug nach Bodenteich unternahm, sind wohl utopisch .
Aber vielleicht erlebt der Bahnhof Gliesmarode ja im Zuge der Aufwertung des ressourcenschonenden Bahnfahrens in den nächsten Jahren wieder einen Bedeutungszuwachs. Viele umweltbewusste Reisende sprechen sich schon für einen Ausbau der Bahnstrecken aus. Zu wünschen wäre es!