Auseinandersetzungen mit dem Landesherrn
Neben inneren Machtkämpfen um die politische Teilhabe an der Stadtregierung prägten zahlreiche militärische Auseinandersetzungen mit den erstarkenden Landesherren die Geschichte Braunschweigs im 16. und 17. Jh. Erstmals entluden sich die Spannungen mit Heinrich d. Ä. (1463-1514) in der Großen Stadtfehde 1492/1494. Streitpunkte waren, wie so oft in den späteren Jahrzehnten, die unterschiedlichen Auffassungen zur Huldigung des Landesherrn durch die Stadt sowie die Bestätigung der städtischen Privilegien seitens des Herzogs. Heinrich versuchte, in Kooperation mit zahlreichen königlichen und fürstlichen Bündnispartnern, die Stadt gewaltsam zu unterwerfen. Nur durch die finanzielle Unterstützung seitens der Hansestädte und die Waffenhilfe der Stadt Hildesheim, deren Truppen 1493 bei Bleckenstedt einen Sieg über den Herzog errangen, konnte die Eroberung Braunschweigs abgewendet werden.
Nachdem die Stadt 1528 die Reformation eingeführt hatte und 1531 dem Schmalkaldischen Bund beigetreten war, bekam der Konflikt mit dem Landesherrn eine neue Intensität. Durch das eindeutige Bekenntnis zum Luthertum stand die Stadt im konfessionellen Gegensatz zu Herzog Heinrich d. J. (1514-1568), der seinerzeit zu den stärksten Gegnern der neuen Lehre zählte. Während des Schmalkaldischen Krieges wurde der Herzog 1545 aus seinem schwer verwüsteten Land vertrieben. Der Bund errichtete dort eine eigene Verwaltung, an der auch die Stadt Braunschweig beteiligt war. Nach dem Sieg kaiserlicher Truppen in der Schlacht bei Mühlberg 1547 nahm Heinrich d. J. sein Land wieder in Besitz. Der Versuch, den katholischen Glauben auch im Stadtgebiet wieder durchzusetzen, führte in den Jahren 1550 und 1553 zu zwei weiteren Belagerungen. Trotz mehrerer Gefechte vor den Toren der Stadt, einem Artillerieduell und der Aufstauung der Oker bei Eisenbüttel erzielte der Herzog nicht den gewünschten Erfolg. Nach der blutigen Schlacht von Sievershausen 1553 schlossen die Parteien unter der Vermittlung des Kaisers im Oktober den Frieden von Wolfenbüttel. Braunschweig musste zwar die landesfürstliche Hoheit anerkennen und an den Herzog eine hohe Entschädigungssumme entrichten, blieb aber im Besitz aller wichtigen Privilegien und konnte weiterhin das Recht der freien Religionsausübung für sich beanspruchen.
Während die Regierungszeit von Herzog Julius (1528-1589) durch ein auf Ausgleich bedachtes Verhältnis zur Stadt gekennzeichnet war, wurde der Konflikt unter seinem Nachfolger Herzog Heinrich Julius (1564-1613) durch die erneut aufkommende Frage der Huldigung wieder in aller Schärfe ausgetragen. Braunschweig verweigerte den Besuch der Landtage und sah die herzoglichen Pfandschaften Altewiek und Sack nunmehr als städtischen Besitz an. Unstimmigkeiten gab es auch über die Entrichtung der Steuern an das Reich. Mehrfache Urteile des Reichskammergerichtes zugunsten des Herzogs wurden von der Stadt ignoriert, so dass Heinrich Julius 1595 das städtische Dorf Ampleben und die Pfandschaften Eich, Vechelde und Wendhausen besetzen ließ. Die Versuche des Landesherrn im Jahr 1600, die Braunschweiger Bürger für vogelfrei zu erklären und den Fernhandel der Stadt zu unterbinden, führten auf der Gegenseite zur Zerstörung von herzoglichen Dörfern. Gleichzeitig wurde Braunschweig von inneren Unruhen erschüttert, die durch Interessensgegensätze zwischen dem Rat und den Bürgerhauptleuten ausgelöst wurden.
Als die Revolution um den Bürgerhauptmann Hennig Brabandt eskalierte, versuchte der Herzog 1605 vergeblich, die Stadt mit einer Kriegslist in seine Gewalt zu bringen, indem er zahlreiche, in zwei Kutschen und zwölf Frachtwagen versteckte Soldaten beauftragte, Braunschweig am Aegidientor mit einem Überraschungsangriff zu überfallen. Im weiteren Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzungen ächtete Kaiser Rudolf II. am 22. Mai 1606 die Stadt und forderte die Einstellung der militärischen Offensive. Aus Sorge um ihre Unabhängigkeit schloss Braunschweig 1611/1612 mit den der Hanse beigetretenen Vereinigten Niederlanden ein militärisches Schutzbündnis. 1613/1615 kam es zu einem von Tumulten begleiteten Verfassungsumbruch, wobei die Patrizierherrschaft endgültig beseitigt wurde. Sowohl der im Juni 1614 eingesetzte revolutionäre 78-er Ausschuss als auch der nach hansischer Intervention im Januar 1615 neu gewählte Rat verfolgten eine Abkehr von der niederländisch-hansischen Politik und zielten auf eine Aussöhnung mit dem neuen Herzog Friedrich Ulrich (1591-1634) ab. Dessen maßlose Forderungen, wie die Zahlung von hohen Jahresabgaben und die Verlegung der Residenz von Wolfenbüttel nach Braunschweig, die unweigerlich das Ende der Stadtfreiheit besiegelt hätten, ließen die Verhandlungen im Juli 1615 scheitern.
So kam es erneut zu einer dreimonatigen Belagerung und zahlreichen Bombardements, die in der Stadt beträchtliche Schäden anrichteten. Nur durch das Eingreifen niederländisch-hansischer Truppen konnte der Belagerungszustand aufgehoben werden. Im Frieden von Steterburg wurden nicht nur die alten Freiheiten behauptet, sondern zusätzlich die Rückgabe der vom Herzog eingezogenen Güter und Einkünfte sowie eine hohe Entschädigungszahlung und die spätere Loslösung aus der Reichsacht erreicht.
Im Juni 1671 gelang dem seit 1666 absolutistisch regierenden Herzog Rudolf August (1627-1704) mit Hilfe seiner Vettern nach einer kurzen Belagerung die endgültigen Einnahme und Unterwerfung der Stadt. Das durch erhebliche wirtschaftliche und finanzielle Probleme sowie erneute innere Unruhen geschwächte Braunschweig vermochte es nicht, den massiven Angriff der landesherrlichen Truppen abzuwehren. Zudem konnte das einstige starke hansische Bündnissystem, das sich nach dem 30-jährigen Krieg in einer Phase des Niedergangs befand, keine Hilfe mehr leisten. Nach dem Abzug der welfischen Truppen fand am 16. Juni die feierliche Huldigung für Rudolf August und seinen Bruder Anton Ulrich (1633-1714) vor dem Altstadtrathaus statt. Braunschweig wurde nunmehr aus dem Gesamtbesitz der Welfen gelöst und einzig dem Fürstentum Wolfenbüttel einverleibt. Damit wurde dem jahrhundertealten Bestreben der Stadt nach politischer Selbstständigkeit ein Ende gesetzt.