Im Sozialausschuss der Stadt Braunschweig stellte die FDP-Fraktion den Antrag, einen Männerbeauftragten für Braunschweig im Gleichstellungsreferat einzurichten.
Dies habe ich abgelehnt. In Niedersachsen bezieht sich der Arbeitsauftrag der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten auf beide Geschlechter, sofern eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vorliegt. Der konkrete Arbeitsauftrag steht in der niedersächsischen Kommunalverfassung: „Die Gleichstellungsbeauftragte soll dazu beitragen, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu verwirklichen. Sie wirkt (…) an allen Vorhaben, Entscheidungen, Programmen und Maßnahmen mit, die Auswirkungen auf die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Anerkennung der gleichwertigen Stellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft haben.“
Grundlage dafür ist Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Zum Abbau der bestehenden Nachteile zielen die Maßnahmen, die die Gleichstellungsbeauftragte anregt deshalb auf strukturelle Benachteiligungen ab.
Strukturelle Diskriminierung - Was ist damit gemeint?
Es geht dabei nicht um eine rein zahlenmäßige Gleichstellung von Männern und Frauen, beispielsweise in den technischen oder pflegerischen Berufen, sondern um die Beseitigung struktureller Diskriminierung. Dies äußert sich z. B. darin, dass in der Pflege max. 20 Prozent Männer arbeiten, ihr Anteil in den Leitungspositionen in der Regel aber mindestens 50 Prozent oder mehr beträgt. In technischen Berufen dagegen arbeiten rund 20 Prozent Frauen; ihr Anteil in den Leitungspositionen beträgt in der Regel aber höchstens 10-15 Prozent oder weniger. Dies zeigt: Frauen werden beim beruflichen Aufstieg aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt. Deshalb zielen verschiedene Maßnahmen in der Gleichstellungsarbeit auf die strukturelle Benachteiligung von Frauen in Führungspositionen ab.
Ein größeres Engagement von Männern für Hausarbeit, Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen würde der Gleichstellung insgesamt nützen. Dann könnten Frauen mehr arbeiten und Männer weniger, beide wären über eine eigene Rente abgesichert. Um Männer hier zu unterstützen, hat die Gleichstellungsbeauftragte 2018 einen Ansprechpartner zum Thema Erziehungszeiten analog dem „Väterbeauftragten“ des Klinikums für das Personalentwicklungskonzept der Stadtverwaltung angeregt. Bisher nehmen Frauen für ihren Einsatz innerhalb der Familie deutliche Karriere- und Verdienstnachteile in Kauf, was zu langfristiger Frauenarmut im Alter führt.
Die Gleichstellungsbeauftragte kann anregen und hinweisen, Gleichstellung ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für deren Umsetzung alle die Verantwortung tragen.
Männer sollen mehr in die Gleichstellungspolitik einbezogen werden; das hat die ehemalige Familienministerin Franziska Giffey als Ziel ausgegeben. Es ging Giffey um eine partnerschaftliche Gleichstellungspolitik, bei der Männer ihren Anteil übernehmen. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen.
Dies sei am Beispiel Gewalt verdeutlicht: Wie Untersuchungen zeigen, verhindern Zuschreibungen und Geschlechterklischees, dass Männer sich als Opfer von Gewalt äußern bzw. dann auch von anderen ernst genommen und als Betroffene anerkannt werden. Männer machen insgesamt den größten Teil der Opfer im Gewaltkontext aus (70,3%). Dabei werden Männer, insbesondere jüngere Männer, tatsächlich häufiger Opfer von körperlicher Gewalt im öffentlichen Raum. Hier ist ein männlicher Ansprechpartner in der Beratung sinnvoll. Ganz anders ist die Aufteilung im Fall von Partnerschaftsgewalt: 26.889 männlich Betroffene und 114.903 weiblich Betroffene im Jahr 2019. Allerdings: Sowohl Frauen als auch Männer werden weit überwiegend Opfer von Gewalt durch männliche Täter.
Es genügt nicht, wenn nur Frauen ihr Rollenbild verändern, auch Männer müssen bereit sein, an Rollenbildern und den vorhandenen Machtstrukturen zu arbeiten. Dazu regt die Gleichstellungsbeauftragte regelmäßig Präventionsprojekte an (z. B. Rosenstraße 76).
Sinnvoll sind Ansprechpartner für Männer in einzelnen Projekten oder Beratungsstellen. Die Notwendigkeit für einen Männerbeauftragten für Braunschweig besteht nicht, da Männer nicht strukturell aufgrund Ihres Geschlechts benachteiligt werden.