Branchenübergreifende Logistik- und Mobilitätsstudie für die Braunschweiger Innenstadt
Der Strukturwandel in den Betrieben und das Kaufverhalten in den Innenstädten beeinflussen zunehmend auch die Warenströme und damit die Logistikverkehre. Welche Entwicklungen im Bereich der City-Logistik mit Blick auf Braunschweig zu erwarten sind und welche Instrumente und Lösungsansätze zur Steuerung der Warenströme existieren, zeigt die von der Braunschweig Zukunft GmbH beauftragte Logistik- und Mobilitätsstudie für die Braunschweiger Innenstadt.
Diese Seite gibt einen Überblick über die zentralen Ziele und Fragestellungen der Studie sowie die Ergebnisse und die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen für die Braunschweiger Innenstadt.
Zielsetzungen
Die Mobilitäts- und Logistikstudie soll eine objektive Grundlage für die künftige Begleitung und Entwicklung der Lieferlogistik in der Braunschweiger Innenstadt bilden. In Braunschweig bestehen durch das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) bereits definierte Ansatzpunkte, Maßnahmen und Strategien zur Innenstadtentwicklung und der Notwendigkeit, die Innenstadtlogistik weiterzuentwickeln und insbesondere die Belieferung der Kundschaft auf der letzten Meile zu optimieren und umweltverträglicher zu gestalten. Das ISEK bildet den übergeordneten Rahmen für die branchenübergreifende Studie, die sich auf folgende Zielsetzungen konzentrierte:
- Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt durch angemessene Nutzung des öffentlichen Raums
- Weiterentwicklung intelligenter Verkehrssteuerung(slösungen) durch Optimierung der Wirtschaftsverkehre
- Begegnung/Umgang mit neuen Anforderungen der Warenlogistik
- Reduzierung des klimaschädlichen CO2-Ausstoßs
- Überprüfung alternativer Ansätze wie Hubs, Nutzung von E-Lastenrädern o.ä. für die Stadt Braunschweig
Zentrale Fragestellungen
Um diese Ziele zu erreichen, lag der Fokus bei der Untersuchung auf verschiedenen Fragestellungen, die sich zum einen in Bezug auf die Lieferlogistik im Zusammenhang mit dem stationären Einzelhandel und zum anderen auf die Lieferlogistik im Zusammenhang mit sonstigen innerstädtischen Nutzungen ergeben.
Lieferlogistik im Zusammenhang mit dem stationären Einzelhandel
- Wie entwickelt sich das Verhältnis zwischen stationärem Point of Sale und Online-Absatzkanälen – also stationäre Verkäufe vs. Showroom und Lieferung?
- Wie werden diese verzahnt, z. B. um zusätzliche Serviceleistungen anzubieten?
- Wie entwickelt sich die letzte Meile bei einer prognostizierten Verdopplung bzw. Verdreifachung der Warensendungen in den kommen Jahren?
Lieferlogistik im Zusammenhang mit sonstigen innerstädtischen Nutzungen
- Wie verändern sich die Zyklen der Lieferungen und ggf. die Art und Weise des Transports selbst?
- Welche Folgen haben dabei unterschiedliche Entwicklungsszenarien für die City-Logistik, auch vor dem Hintergrund des hohen und weiter zunehmenden Wohnanteils in der Innenstadt?
IST-Analyse Einzelhandel
Im Hinblick auf die Einzelhandelssituation der Innenstadt Braunschweig wurden unter anderem die folgenden Aspekte näher betrachtet.
Status Quo und Entwicklung in den letzten Jahren
Für die Innenstadt Braunschweig gilt gegenüber dem Stadtgebiet insgesamt eine Sondersituation. Wie viele andere Innenstädte auch, ist die Innenstadt Braunschweig ein Kundenmagnet für Kundinnen und Kunden aus dem Einzugsgebiet – neben Kultur und Gastronomie. So ist der Einzelhandelsumsatz im Verhältnis zur Anzahl der Innenstadtbewohnerinnen und -bewohner deutlich überdurchschnittlich. Auf die Innenstadt entfallen 33 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes in Braunschweig. Demgegenüber wohnen lediglich 5,7 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner in der Innenstadt.
In einer Berechnung auf Basis des Regionalen Einzelhandelskonzepts (REHK) für den Großraum Braunschweig (Fortschreibung 2018) betrug der Umsatz des Einzelhandels in der Innenstadt 775 Mio. Euro im Jahr 2017. Für 2020 ist von einem Einzelhandelsumsatz von rund 720 Mio. Euro auszugehen (in der räumlichen Abgrenzung des Einzelhandelskonzepts). Nachdem der Einzelhandel 2019 noch wachsen konnte, haben die Lockdown-Phasen und die Infektionsrisiken beim Shopping 2020 zu deutlichen Rückgängen geführt, insbesondere im Fashionhandel.
Der Einzelhandelsumsatz wurde in 586 Geschäften auf insgesamt rund 170 Tsd. qm Verkaufsfläche erzielt, bei einer Leerstandsquote von 14 % (alle Angaben 2017). Im Hinblick auf die Verkaufsfläche betrug die Leerstandsquote 8 %, d. h. es standen vor allem kleinere Ladenlokale leer. Die Einzelhandelsstruktur der Innenstadt wird besonders durch kleine Geschäfte geprägt. Mehr als 80 % der Geschäfte sind kleiner als 250 qm, mehr als 90 % kleiner als 500 qm. Umsatzträger sind indes die größeren Geschäfte. 9 % der Geschäfte sind 500qm und größer. Diese stehen für mehr als zwei Drittel der Verkaufsfläche. Die Umsatzverteilung dürfte ähnlich ausfallen.
Online-Handel Braunschweig
In der Innenstadt Braunschweig sind von den rund 14.400 Bewohnerinnen und Bewohnern mehr als 8.100 Onlineshopper. Die Onlineaffinität ist im Vergleich zu Deutschland überdurchschnittlich, ebenso wie das Kaufkraftniveau. Die Onlineshopperinnen und -shopper, die in der Innenstadt von Braunschweig wohnen, generieren ein Onlinemarktvolumen von rund 20 Mio. Euro (2020).
Lieferverkehre verursachen Onlinebestellungen der Innenstadtbewohnerinnen und -bewohner, welche nach Hause geliefert werden. Darüber hinaus bestellen diese Produkte online, welche sie dann im Laden abholen (Click&Collect). Diese Abholung verursacht keinen Lieferverkehr. Bei einigen Bestellungen ist die Ware aber nicht im Laden vorrätig und muss (gesondert) angeliefert werden, was Lieferverkehr verursacht. Zudem bestellen Arbeitnehmerinnen und -nehmer im Onlinehandel, welche nicht in der Innenstadt wohnen, aber dort arbeiten, und lassen sich die Ware an den innerstädtischen Arbeitsplatz liefern.
Lieferverkehre verursachen außerdem Onlinebestellungen von Nicht-Innenstadtbewohnerinnen und -bewohnern, welche Ware bei (kleineren) Innenstadthändlerinnen und -händlern bestellen. Die Ware wird aus dem innerstädtischen Geschäft versendet und nach Hause geliefert. Eine gesonderte Lieferung zum Abholpunkt (Geschäft) wird durch Bestellungen im Rahmen von Click&Collect verursacht.
In Summe ist es ein Onlineumsatz von rund 34 Mio. Euro, der in der Braunschweiger Innenstadt Lieferverkehr verursacht.
Branchenanteile offline und online
Die Branchenstrukturen haben aufgrund der unterschiedlichen Güterarten mit verschiedenen Volumen- und Gewichtseinheiten oder Lieferrhythmen Einfluss auf den Zulieferverkehr des Einzelhandels (X2B) einerseits und den Lieferverkehr des Onlinehandels (X2C) andererseits.
Der stationäre Einzelhandel in der Innenstadt Braunschweig ist (innenstadttypisch) besonders stark vom Einzelhandel mit Fashionartikeln geprägt. Diese machen fast die Hälfte des stationären Einzelhandels aus.
Im Onlinehandel ist demgegenüber die Bedeutung von Consumer Electronics und Elektrogeräten oder Spielwaren und Sportartikeln (Bereich Freizeit & Hobby), aber auch Heimwerkerartikeln deutlich größer.
IST-Analyse Logistikstruktur
Während der Studie führte die KE-Consult GmbH 2020 in Braunschweig verschiedene originäre Erhebungen durch. Im Rahmen des Projekt-Kick-Offs wurde eine Begehung der Innenstadt im Januar 2020 durchgeführt. Beteiligt waren die Braunschweig Zukunft GmbH sowie das Amt für Tiefbau und Verkehr. So konnten erste Eindrücke über den Lieferverkehr in der Braunschweiger Innenstadt aus Sicht der Stadtverwaltung gewonnen werden.
In Braunschweig wurden 2020 12,7 Mio. Sendungen zugestellt. Bis 2030 wird die Anzahl der KEP-Sendungen (Kurier-, Express-, Paketmarkt) um knapp 70 % auf dann 21,3 Mio. Sendungen ansteigen. Treiber wird infolge des weiter stark steigenden Online-Handels das X2C-Segment mit einem Anstieg um 80 % sein. Aber auch im X2B-Segment wird zwischen 2020 und 2030 ein Wachstum um 48 % erwartet.
Befragung im Einzelhandel
Eine schriftliche Befragung der Innenstadthändlerinnen und -händler im März 2020 gab erste Hinweise auf die Problemlagen in der Innenstadt aus Sicht des Handels und auf die Inanspruchnahme von Dienstleistungen der KEP-Logistik.
Die Braunschweiger Innenstadthändlerinnen und -händler schließen sich der erwarteten Wachstumsprognose des Lieferverkehrs an. Von den 24 antwortenden Händlerinnen und Händlern empfangen alle Waren, knapp die Hälfte versendet auch. Dabei werden sowohl die Dienstleistungen der KEP-Logistik als auch von Speditionsunternehmen bzw. der Eigenlogistik in Anspruch genommen. Knapp zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass die Lieferhäufigkeit und das Liefervolumen in den nächsten fünf Jahren steigen werden.
„Vier-Augen-Gespräche“ mit KEP-Unternehmen
Mit den ansässigen KEP-Unternehmen wurden „Vier-Augen-Gespräche“ geführt. Dabei konnten die Problemlagen aus Sicht der Logistik und erste Lösungspotentiale identifiziert werden. Weitere Problemlagen und Lösungspotentiale konnten im Rahmen eines Stakeholderworkshops identifiziert werden.
Erhebung „Okerbrücken“
Durch eine Erhebung der ein- und ausfahrenden Fahrzeuge über neun ausgewählte Okerbrücken in der Kalenderwoche 37 im Jahr 2020 konnten Erkenntnisse zur Struktur des Straßenverkehrs in Braunschweig gewonnen werden. Auf Basis von insgesamt 55.000 Beobachtungen können Größenordnungen für die Anteile der Fahrzeuge in der Braunschweiger Innenstadt abgeschätzt werden. Es zeigt sich, dass der Wirtschaftsverkehr in der Innenstadt lediglich einen kleinen Teil des Gesamtverkehrs (9 % der Beobachtungen) ausmacht. Im Wirtschaftsverkehr dominieren die Handwerker, Techniker und Baustellen-Fahrzeuge.
In den Beobachtungen lassen sich 3 % der Wirtschaftsverkehrsfahrzeuge eindeutig als KEP-Fahrzeuge identifizieren. Es ist allerdings davon auszugehen, dass dieser Anteil den tatsächlichen Anteil unterschätzt. Viele Fahrzeuge im KEP-Verkehr lassen sich aufgrund fehlender Beschriftungen nicht eindeutig zuordnen und sind so in der Gruppe der sonstigen Fahrzeuge enthalten.
Begehung und Zählung in der Fußgängerzone
Eine Begehung und Zählung in der Fußgängerzone ebenfalls in der Kalenderwoche 37 im Jahr 2020 brachte zum einen Klarheit über die Problemlagen in der Fußgängerzone und konnte zum anderen die Struktur der Fahrzeuge in der Fußgängerzone ermitteln. Deutlich wird, dass in der Fußgängerzone der KEP-Anteil höher ist, als auf Basis der täglichen Fahrzeuge zu erwarten war. Zum einen liegt das in der Rolle der KEP-Logistik für die Versorgung der Innenstadt begründet. Zum anderen zeigt sich hier auch ein strukturelles Merkmal der KEP-Logistik: Es werden in der Regel nicht ganze Wagenladungen, wie etwa beim Stückgutverkehr, ausgeliefert. Stattdessen findet eine Auslieferung an viele mehr oder weniger dicht aneinander liegende Zustellpunkte statt. Das führt zu einer (im Vergleich zur Stückgut- oder Kontraktlogistik) höheren Anzahl von Stopps und letztendlich auch zu einer erhöhten Wahrnehmbarkeit der KEP-Fahrzeuge.
Handlungsempfehlungen
Basierend auf den analysierten IST-Situationen des stationären Einzelhandels und der Lieferlogistik in der Braunschweiger Innenstadt haben die KE-Consult GbR und die IFH Köln GmbH folgende Handlungsempfehlungen zur strategischen Verankerung des Themenfelds Stadtlogistik in Braunschweig ausgesprochen.
Im kommenden Jahr soll eine verwaltungsinterne Abstimmung zur Umsetzung erster Maßnahmen aus der Studie in Abhängigkeit von den vorhandenen Ressourcen erfolgen.
Die Ergebnisse der Studie werden im Rahmen der Erarbeitung und Umsetzung des Intergierten Klimaschutzkonzeptes, des Mobilitätsentwicklungsplans und des strategischen Rahmenkonzepts Innenstadt berücksichtigt.
Auftraggeber:
Braunschweig Zukunft GmbH
Erstellt durch:
KE-CONSULT Kurte&Esser GbR
Oskar-Jäger-Str. 175, 50825 Köln
Dr. Klaus Esser, Dr. Judith Kurte
IFH Köln GmbH
Dürener Straße 401b, 50858 Köln
Dr. Markus Preißner, Hans-Jürgen Heinick