Christine Wunnicke, Preisträgerin 2020
Die Schriftstellerin Christine Wunnicke hat für ihr Buch „Die Dame mit der bemalten Hand“ den von der Stadt Braunschweig und dem Deutschlandfunk gestifteten und mit 30.000 Euro dotierten Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2020 erhalten. In einer Sendung des Deutschlandfunk und des Deutschlandfunk Kultur vom 28. November, wurde ihr der Preis digital verliehen.
Die Preisträgerin hat über Jahrzehnte hinweg ein eigenständiges Werk geschaffen, in dem sich die Gattungen mischen. Gelehrte Groteske. Historischer Miniaturroman. Wissenschaftssatire. Sie beherrscht die Wissensjargons verschiedener Zeiten, mythologische und religiöse Idiomatiken und poetische Aufschwünge ebenso wie deren Parodien, so die Begründung der Jury.
Weiter hieß es in der Begründung: „Der clash of cultures ist hier ein Vergnügen für gebildete Zuschauer von Schiffbrüchen und sprachdionysische Aufklärungsskeptiker. Christine Wunnicke arbeitet den Wahnsinn am Grund unserer Erkenntnis und unseres Wissens heraus. Anschaulich, turbulent, komisch und deshalb schön.“
Die Jury setzte sich zusammen aus:
Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel (Präsident der Internationalen Raabe-Gesellschaft e.V.)
Prof. Dr. Moritz Baßler (Germanistisches Institut, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Abteilung Neuere deutsche Literatur)
Alexander Cammann (DIE ZEIT)
Thomas Geiger (Literarisches Colloquium Berlin)
Dr. Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig)
Dr. Michael Schmitt (3sat)
Prof. Dr. Renate Stauf (Germanistisches Institut, TU Braunschweig)
Katharina Teutsch (u.a. FAZ und ZEIT)
Dr. Hubert Winkels (Deutschlandfunk).
Die Begründung der Jury:
„Christine Wunnicke hat über Jahrzehnte hinweg ein eigenständiges Werk geschaffen, in dem sich die Gattungen mischen. Gelehrte Groteske. Historischer Miniaturroman. Wissenschaftssatire. Sie beherrscht die Wissensjargons verschiedener Zeiten, mythologische und religiöse Idiomatiken und poetische Aufschwünge ebenso wie deren Parodien. Immer arbeitet sie auf der Grenze zwischen beiden. Am Kipppunkt von Wahn in Wissen und umgekehrt; von Bericht und Karikatur eines Berichts. Aus dem zufälligen Zusammentreffen einzelgängerischer Helden der Wissenschafts- und der Weltgeschichte schlägt sie helle Funken der Erkenntnis und der Komik. In ‚Missouri‘ wird der Erneuerer der englischen Dichtung von einem Cowboy entführt. In ‚Katie‘ versucht ein Experimentalwissenschaftler Messungen an einem spiritistischen Medium vorzunehmen. Auch ‚Die Dame mit der bemalten Hand‘ handelt von dem tragikomisch scheiternden Versuch, die Welt zu vermessen. Der persische Astrolabienbauer Musa al-Lahuri strandet auf einer struppigen Insel vor Bombay und trifft auf den deutschen Mathematiker Carsten Niebuhr. Ausgerechnet das Vermessungsgenie soll die Originalschauplätze der biblischen Heilsgeschichte studieren und ist vom Weg abgekommen. Der Perser und der Deutsche reden vielsprachig wortreich aneinander vorbei. Aus den Scherben eines Kommunikationsdesasters baut Christine Wunnicke neue bizarr-schöne Gebäude. Der clash of cultures ist hier ein Vergnügen für gebildete Zuschauer von Schiffbrüchen und sprachdionysische Aufklärungsskeptiker. Christine Wunnicke arbeitet den Wahnsinn am Grund unserer Erkenntnis und unseres Wissens heraus. Anschaulich, turbulent, komisch und deshalb schön.“