2. Preis Großer Hof - Beitrag 1014
KREATIVE MITTE BRAUNSCHWEIG Gewachsene Strukturen, neue Ideen
Vision
Die Kreative Mitte ist ein lebendiger Ort, an dem das historische Braunschweig - mit seinen Strukturen, seinem Charme sowie seinen prägenden Bauwerken - und moderne Ideen aufeinandertreffen. Inmitten der mittelalterlichen Stadtstruktur schaffen wir einen Raum für Innovation, Kunst und Handwerk, in dem Tradition und Zukunft im Einklang stehen. Wir wollen Kreativität fördern und eine inspirierende Gemeinschaft aufbauen, die Kunst, Kultur und urbanes Zusammenwohnen vereint.
Das Quartier bietet Künstlern, Handwerkern, Designern und Start-ups einen einzigartigen Ort zum Arbeiten, Schaffen und Austausch sowie einen besonderen Ort zum gemeinschaftlichen Zusammenleben. Dabei bewahren wir die Schönheit und Authentizität der mittelalterlichen Stadt und verbinden sie mit der Dynamik zukunftsorientierter Ideen und Projekte.
A. Orientierung im Mittelalterlichen Gefüge (Tradition & Innovation): Die historische Stadtstruktur der Braunschweiger Innenstadt fließt von Norden nach Süden. Zahlreiche Kirchen markieren diese Wegeverbindungen, bieten Orientierung und leiten durch die Stadt. Die Grundstruktur knüpft an die umgebende mittelalterliche Stadtstruktur an und skizziert einen sehr robusten und klaren Rahmen.
Der Litolffweg war in der Vergangenheit durch den Burgmühlengraben und in der jüngeren Vergangenheit durch die Markthalle besetzt, die die Straße in die Logik der Stadt eingebunden hat. Ein neuer Kreativ-Hub mit dem Haus der Familie, der Kunstgalerie und einem Mobility-Hub übernimmt diese Funktion. Als Akzent und Orientierungspunkt des neuen Kreativquartiers leitet und verbindet er den Hagenmarkt mit dem Großen Hof und die Kirchen St. Andreas mit St. Katharinen.
B. Historisches Erbe als Identität (Maßstab & Charakter): Neben dem Wallring und den Kirchen sind es die prägnanten Bebauungstypologien, die das Bild der historischen Innenstadt geprägt haben und noch in Teilen prägen. Traufständige Häuser mit Satteldach und markante Gauben geben dem Straßenraum einen Maßstab und einen einzigartigen Charakter. Giebelständige kleinere Wirtschaftsgebäude (Kemenaten) ergänzten den Rückbereich. Diese Bautypologien sind die Referenz für das Kreativquartier. Sie fügen sich sensibel in die Umgebung ein und prägen die entstehenden kleinteiligen öffentlichen Räume.
C. Integration und Raum für neue Ideen (Raumbezüge & -abfolgen): Zwischen den bestehenden Kirchen, dem Stadtbaustein mit dem Haus der Familie und der Kunstgalerie, sowie neuen Baukörpern in der Fortführung der umliegenden Blockstrukturen eröffnen sich diverse, grüngeprägte Räume. Klare Raumfassungen mit sinnfälligen Versprüngen und Versätzen, in Kombination mit der Parzellenorientierung der Baukörper, lassen spannende Raumabfolgen entstehen, die zum Entdecken einladen und das Netz der Braunschweiger Innenstadt eigen, mutig und doch selbstverständlich ergänzen. Die enge Verzahnung von Räumen und Bebauung, von Erdgeschossen und Außenraum fördert eine Kultur der Offenheit, in der neue Ideen und Projekte wachsen können. Im Geiste eines Kreativquartiers der Sinne lädt die Kreative Mitte dazu ein, das lebendige Treiben des Ortes mit allen Sinnen zu erleben. Wir bieten Künstlern, Handwerkern, Musikern, Gastronomen und Innovatoren eine Bühne, auf der sie ihre Werke und Ideen entfalten können. Historische Sichtbezüge, die alten Mauern der Markthalle und kleinteilige, atmosphärische Räume und Raumabfolgen dienen als Katalysator für ein kreatives Miteinander. Hier trifft kreative Schaffenskraft auf kreatives Erleben und Erfahren – Tradition und Moderne, die Menschen inspiriert und verbindet.
Mobilität
Die Kreative Mitte ist autofrei
Das engmaschige Wegenetz knüpft an die umliegenden Straßen an. Bestehende Wegeverbindungen werden gestärkt. Autofreie Gassen ermöglichen die Durchquerung zu Fuß und mit dem Fahrrad. Alle derzeit im öffentlichen Raum befindlichen Stellplätze, sowie Fahrradstellplätze und weitere Mobilitätsangebote werden gebündelt im Mobility-Hub untergebracht. Dieser ist über die Wendenstraße und Werder erschlossen. Alle weiteren Wege, Gassen und Plätze sind dem Fuß- und Radverkehr vorbehalten. Die Erschließung der Erdgeschosse sowie der Häuser erfolgt konsequent von diesen öffentlichen Wegen. Anlieferungs- sowie Rettungsverkehre können abgewickelt werden.
Nutzungen
Das Erdgeschoss als Teil der Stadt
Alle neu geplanten Erdgeschosszonen sind zusammen mit den öffentlichen Räumen geplant und entsprechend mit publikumsintensiven Nutzungen versehen. Einzelne Nutzungsschwerpunkte markieren besondere Orte und sind ein Puzzlestück im Netz der Raumabfolgen. Insbesondere der Kreativ- Hub im Zentrum öffnet sich mit dem Haus der Familie, Café, Galerie und einem Multifunktionsraum mit Außenbezug zu beiden Seiten für die Menschen.
Es entstehen neben Mietwohnungen verschiedener Größe auch besondere Wohnbausteine, die zur Durchmischung und Lebendigkeit des Quartiers beitragen. So wird in den Gebäuden der Alten Schule ein buntes Gemeinschaftswohnprojekt mit großzügigem Garten geschaffen. Über den Werkstätten und Ateliers entsteht Studenten- und Atelierwohnen, neben Seniorenapartments am zentralen Platz über dem Kulturverein ist eine Baugruppe mit Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss verortet. Clusterwohnen mit Angeboten für inklusives Wohnen findet an der Kirchenarkade Platz.
(Frei-) Räume
Die Kreative Mitte ist kleinteilig und natürliche:
Ein Netz an kleinteiligen, unterschiedlichen Freiraumtypologien gliedert die Kreative Mitte und verwebt es mit dem Bestand.
Der Große Hof bildet als attraktiver schattenspendender grüner Platz das Herzstück des Quartiers. Der prägende Baumbestand wird wie selbstverständlich integriert. Eine großzügige Wiese bietet vielfältige Nutzungsmöglichkeiten, ein frei bespielbarer Raum entsteht. Bei Starkregen dient dieser Bereich der Regenwasserrückhaltung. Der Baumbestand und ein attraktives Freiraumangebot aus Spielgeräten, einer Holz- Sitzlandschaft umsäumen die Wiese und bespielen den Rand.
Der ehemalige Parkplatz am Werder wird zum üppigen Werderpark, verbindet Stadt und Quartier und dient als Trittstein von der Innenstadt zum Wallring. Großzügige Neupflanzungen ergänzen den wertvollen Baumbestand und bilden eine grüne Lunge in der Stadt. Eine neue Kita markiert den Generationenpark.
In Ost-West Richtung werden der Große Hof, der Kreativ-Hub und der Werderpark durch die baumbestandene Kirchenarkade und die Werdertwete verbunden. Die Kreativpassage und die Klimagasse bilden ausgehend vom Kreativ-Hub mit dem Wallring eine grüne Wegeverbindung von Nord nach Süd. Der ehemalige Burgmühlengraben kommt in der Klimagasse als prägende Rinne wieder an die Oberfläche. Blau-grüne Beete, Biodiversitätsinseln und Baumreihen gliedern den Raum. Am Kreuzungspunkt der Wegeverbindungen weitet sich der Raum und wird durch ein Wasserspiel markiert. Nebeldüsen tragen besonders an heißen Tagen durch Verdunstungskühle zur Verbesserung des Kleinklimas/Mikroklimas bei. Belebte Erdgeschosszonen mit Werkstätten, Ateliers, Café- und Ladengeschäften werden Treffpunkt im Viertel. Hier öffnet sich der Platz und das Quartier in alle Richtungen.
Die Grünen (Innen-) Höfe im Quartier sind die ruhigen privaten Gartenräume für die Nachbarschaft. Wiesen, Gehölze und Gehölzsäume strukturieren die Höfe. Gemeinschaftliche Gartenfelder und Terrassen im Grünen sind Treffpunkt und Aufenthaltsbereich zugleich. Spiel- und Gartenräume zur aktiven nachbarschaftlichen Aneignung entstehen. Die Flächenversiegelung wird auf ein Minimum reduziert.
Regenwasser
Die (Frei-) Räume sind multifunktional – grün, blau… bunt.
Die Klimagasse fungiert als Notwasserweg bei Starkregen, von hier wird das Regenwasser gezielt dezentral auf der Wiese verteilt. Das Regenwassermanagment erfolgt kaskadenartig wo möglich über Retentionsdächer, die in die grün-blauen Beete, Grünflächen und Höfe entwässern. Integrierte Zisternensysteme (und wenn notwendig auch Rigolen) ermöglichen in den Gassen und Höfen die Nutzung des Regenwassers.
Klimaschutz
Insbesondere am zentralen Kreativ- Hub und an der Quartiersgarage ist Fassadenbegrünung vorgesehen. Die Gebäude sind mit Satteldächern mit unterschiedlicher Ausrichtung geplant, die für Solarenergie genutzt werden. Das Quartier wird an das Fernwärmenetz angeschlossen. Eine dezentrale Wärmeversorgung mit Zentrale in der Quartiersgarage ist auch im Konzept integrierbar.
Beurteilung des Preisgerichts
Die städtebauliche Setzung des Entwurfes ist klar ausformuliert. Es wird ein tragfähiges Grundgerüst ausgebildet, welches sich über die Zeit entwickeln kann. Wohnen und Kreativwirtschaft werden in dem Entwurf selbstverständlich miteinander verbunden.
Zwei große, hofumschließende Baukörper sowie ein Großbaustein auf den ehemaligen Grundrissen der Markthalle und ein Sonderbaustein am westlichen Eingang des Quartiers vervollständigen die städtebauliche Situation in der Braunschweiger Innenstadt auf angemessene Weise.
Bestehende Wegeverbindungen werden gestärkt, sowohl in Ost-West Richtung mit der Werdertwete und der Kirchenarkade, als auch in Nord-Süd-Richtung durch die Klimagasse und die Kreativpassage. Es entstehen kleinteilige Atmosphären und Raumabfolgen sowie eine klare Ausbildung von Privatheit und Öffentlichkeit. Die bauliche Ausformulierung entlang der Ost-West-Verbindung wird positiv betrachtet. Durch ein Abknicken des nordwestlichen Baukörpers wird die Verbindung zwischen Großen Hof und St. Andreaskirche gestärkt. Die südliche Eingangssituation wurde durch Wohnbebauung ergänzt, die sich jedoch außerhalb des Entwurfsgebietes befindet.
Die architektonische Ausgestaltung der Satteldächer, welche sich auf historische Beispiele in Braun- schweig bezieht, wirkt teilweise etwas formalistisch.
Die Freiräume gliedern die Kreative Mitte und verweben sie mit dem Bestand. Der Grüne Hof mit den bestehenden Bäumen dient als zentrales Herzstück des Quartiers. Weitere grüne (Innen-) Höfe dienen als ruhige, private Gartenräume für die Nachbarschaft. Gelobt wird die klare Ausformulierung von öffentlichen Freiräumen sowie privateren Innenbereichen. Ganz im Osten des neuen Quartiers soll der neugestaltete Werderpark als grüne Lunge in der Stadt dienen. Dieser Park wird jedoch bezüglich seiner vorgeschlagenen Dimensionierung hinterfragt.
Der Kreativhub mit einer Mischung aus dem Haus der Familie, der Kunstgalerie und dem Mobility Hub wird positiv bewertet. Er soll als Akzent und Orientierungspunkt des neuen Kreativquartiers dienen.
Die historischen Markthallenmauern wurden mit in den Entwurf integriert. Die Erdgeschosszonen sind zusammen mit den öffentlichen Räumen gedacht. Die Mischung von Wohnen und Kreativwirtschaft wird in einem angemessenen und glaubwürdigen Rahmen vorgeschlagen. Besonders hervorzuheben
ist hierbei auch die Ausbildung der Kreativpassage in Nord-Süd-Richtung mit aktivierenden Erdgeschossnutzungen. Besondere Wohnformen wie Baugruppen, Studierendenwohnen oder Clusterwohnen wurden mit in das Projekt integriert.
Die Positionierung der Kita an der Wendenstraße wird sehr kritisch diskutiert. Grundsätzlich ist die Positionierung eines Gebäudevolumens an dieser Stelle vorstellbar, jedoch wird hier die Verortung der Kita aufgrund von Lärm und Verkehr hinterfragt.
In einem zentralen Mobility-HUB im Zentrum des Quartiers mit Erschließung aus Westen werden die Stellplätze für PKWs, Fahrräder und Car-Sharing zentral gebündelt. In den Erdgeschossen werden außerdem dezentrale Fahrradabstellanlagen vorgeschlagen.
Klima- und Retentionsthemen wurden mitbedacht. So wurde der Burgmühlengraben als gestalterisches Element entlang des Klimaboulevards zur Sichtbarkeit des Regenwassermanagements genutzt. Das Regenwassermanagement soll kaskadenartig erfolgen. Fassadenbegrünungen sind für den Kreativhub und die Quartiersgarage vorgeschlagen.