5. Preis Großer Hof - Beitrag 1015

Städteräumliches Konzept 5. Platz - Beitrag 1015© konrath und wennemar architekten ingenieure, Düsseldorf mit studio grüngrau Landschaftsarchitektur GmbH, Düsseldorf

Wohn- und KreativQuartier Großer Hof Braunschweig

Leitidee – die stadträumliche Struktur erkennen und neu beleben

Der Bereich um den Großen Hof ist in den Freiflächen untergenutzt, in großen Teilen der Bebauung teilweise gar nicht mehr genutzt. Es braucht daher einen Neustart, um das Potential des Großen Hofs im Stadtgebiet wieder herauszuarbeiten. Dabei kann nach unserer Überzeugung die bestehende stadträumliche Grundstruktur als wesentlicher Baustein weitgehend übernommen werden. Straßen und Wege gliedern den Bereich sowohl in nord-südlicher Richtung wie auch in west-östlicher Richtung. Die bestehenden Baufelder können einzeln betrachtet werden, konzeptionell geschärft werden und so hinsichtlich ihrer Nutzung und Bebauungsmöglichkeiten zu einem attraktiven neuen Gesamtquartier entwickelt werden.

Fußgängerperspektive 5. Preis - Beitrag 1015© konrath und wennemar architekten ingenieure, Düsseldorf mit studio grüngrau Landschaftsarchitektur GmbH, Düsseldorf

Aktivierung der Räume und Verknüpfung mit dem Umfeld

Grundlage einer attraktiven städtebaulichen Entwicklung ist die Aktivierung der Räume und Plätze. Inhaltlicher und räumlicher Mittelpunkt unseres Konzeptes bildet der Standort der ehemaligen Markthalle und dem nördlich anschließenden großen Hof, den wir mit seinem Baumbestand großflächig entsiegeln und als Pocketpark erlebbar machen. Über diese neu belebte Mitte des Quartiers läuft die Ost-Westverbindung von der Andreaskirche über den Werder weiter nach Osten über die Wendenstraße hinaus. Vom südlich gelegenen Hagenmarkt führt der bestehende Litolffweg entlang der neuen Quartiersmitte bis zur nördlich gelegenen Kaiserstraße. Dieses Wegenetz wird weitgehend autofrei gestaltet. Insbesondere die Quartiersmitte aus dem Standort der ehemaligen Markthalle und dem damit verbundenen Pocketpark Großer Hof wird für die individuelle Durchfahrt gesperrt.

Eine Hochgarage zur Unterbringung der erforderlichen Stellplätze erschließen wir von der Reichsstraße. Die Hochgarage ist Bestandteil eines Blockes, ist zentral gelegen, kann aber an der gewählten Stelle nach unserer Auffassung gut vertretbar ins Gesamtgefüge integriert werden.

Entwicklung der Stadtbausteine

Die einzelnen Bausteine des Konzepts können zeitlich weitgehend unabhängig voneinander entwickelt werden. Zentraler Baustein ist die Entwicklung auf dem Standort der ehemaligen Markthalle. Die bestehende Außenwand mit zahlreichen Graffiti pics empfinden wir als ortsprägendes Zeitdokument und schafft den Rahmen der neuen Nutzung. Das Volumen der alten Markthalle wird durch eine offene Metallkonstruktion nachempfunden, jedoch nicht vollständig als Bauvolumen genutzt. Hier entsteht ein Campus mit Kita, dem Haus der Familie, Galerie- und weiteren kleineren Nutzungsangeboten, eingebettet in fließende Freiräume. Insbesondere zum östlichen Nachbarn haben wir zur Vermeidung von Verschattungen das Raumvolumen im Obergeschoss freigelassen.

Westlich der ehemaligen Markthalle, entlang der Reichsstraße, entstehen drei Stadtbausteine. Um die denkmalgeschützte Kemenate entwickelt sich ein lockeres Ensemble, in dem kleinteilige Nutzungen in den Erdgeschossen denkbar sind, wie eine Weinbar in der Kemenate und dem vorgelagerten Gartenhof, sowie Galerien und Werkstätten in den vorgeschlagenen Neubauten. In den Obergeschossen sind Wohnungen vorgesehen.

Nördlich der Kemenate ist ein gemischter Block mit teilweise studentischer Wohnnutzung und einer Hochgarage geplant. Die Erdgeschossflächen gegenüber der ehemaligen Markthalle bieten sich wiederum für kleinteilige Gewerbeflächen an. 

Der Stadtbaustein weiter nördlich, jenseits des Durchgangs zur Andreaskirche, ist überwiegend für Wohnnutzung vorgesehen, wobei auch Sonderwohnformen wie altersgerechtes Wohnen oder Wohngemeinschaften geplant sind. Die Stellplätze für diesen Bereich können in einer eigenen Tiefgarage untergebracht werden. Die Erdgeschossflächen zur ehemaligen Markthalle sind auch hier attraktiv für kleinteilige Gewerbeflächen.

Das östliche Planungsgebiet entlang der Wendenstraße ist derzeit großflächig als Parkplatz genutzt. Wenn die Stellplätze hier aufgrund der neuen Hochgarage am Litolffweg entfallen können, kann hier bei Erhalt eines Großteils des Baumbestands eine neue Wohnzeile entstehen. Die dargestellte Kleinteiligkeit soll einerseits an die Maßstäblichkeit der Altstadtbebauung anknüpfen, sie soll aber auch Hinweis auf eine lebendige Vielfalt in alternativen Wohnformen geben. 

Der südliche Abschluss dieser Wohnzeile liegt städtebaulich prominent an starker Frequenz, und eignet sich in den unteren Geschossen daher sehr gut für eine entsprechende gewerbliche Nutzung.

 

Zusammengefasst hat das Quartier am Großen Hof nicht nur das große Potential, sich zu einem spannenden und vielseitigen Stadtbaustein zu entwickeln. Vielmehr kann und wird es über die Grenzen des Wettbewerbsgebiets positive Impulse in den umgebenden Stadtraum senden. 

Vogelperspektive 5. Platz Beitrag 1015© konrath und wennemar architekten ingenieure, Düsseldorf mit studio grüngrau Landschaftsarchitektur GmbH, Düsseldorf

Freiraum „Großer Hof“ in Braunschweig

Der Freiraum „Großer Hof“ in Braunschweig steht im Mittelpunkt einer städtebaulichen und freiraumplanerischen Neuordnung, die das Ziel verfolgt, die historische Stadträumlichkeit wiederherzustellen und gleichzeitig moderne Anforderungen an urbane Lebensqualität zu erfüllen. Durch die Wiederherstellung und Ergänzung ehemals vorhandener städtischer Strukturen und Dimensionierungen wird ein urbanes Stadtquartier mit multifunktionalen Nutzungen geschaffen.

Besonderer Wert wird auf eine hohe Aufenthaltsqualität gelegt. Hierbei wird der bestehende Baumbestand behutsam integriert und großzügig ergänzt, um eine grüne, einladende Atmosphäre zu schaffen. 

Die belebten Erdgeschosszonen tragen maßgeblich zur Lebendigkeit des Quartiers bei, indem sie Räume für Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungen bieten.

 

Ein zentraler Aspekt der Planung ist die klimaresiliente Gestaltung der Freiräume. Dazu gehört die Nutzung des Schwammprinzips, um Niederschläge zurückzuhalten und das Regenwasser für die Bepflanzung zu nutzen. Durch die extensive Begrünung der Dachflächen als Retentionsdächer wird nicht nur ein Beitrag zur Wasserrückhaltung geleistet, sondern auch das Mikroklima im Quartier verbessert.

Der neue Platz nördlich der ehemaligen Markthalle wird mit Wasserspielen in Form von Fontänen- und Nebeldüsen ausgestattet, die an heißen Tagen für Abkühlung sorgen und zur Attraktivität des öffentlichen Raums beitragen. Zudem werden versiegelte Flächen aufgebrochen und oberirdische Stellplätze entfernt, um Platz für weitere grüne und multifunktionale Nutzungen zu schaffen.

Spiel- und Freizeitflächen, darunter Außenspielflächen für eine Kindertagesstätte, fördern die soziale Interaktion und bieten Raum für Erholung und Bewegung. 

Die Platzfläche „Großer Hof“ wird durch eine Regenwassermulde ergänzt, die als natürliche Drainage dient und gleichzeitig als gestalterisches Element fungiert. Sitzgelegenheiten und Spielbereiche runden im gesamten Gebiet das Angebot ab.

Eine wichtige Maßnahme ist die barrierefreie Gestaltung des gesamten Quartiers, um allen Menschen einen uneingeschränkten Zugang zu ermöglichen. Der Straßenraum „Werder“ wird dabei in das Konzept integriert und zu einem attraktiven Aufenthaltsort weiterentwickelt.

Nutzungskonzept und -verteilung

Das neue Kreativquartier verfügt über ein gut durchmischtes Angebot an unterschiedlichen Nutzungen und innerstädtisches Wohnen

  • Alte Markthalle mit kulturellen, sozialen und Versorgungs-einrichtungen: Kreativräume inkl. Café und Galerien mit innen Hof
    • Haus der Familie
    • Kita mit Außenspielfläche und Spielterrasse
  • Grünes Quartiershub mit Mobilitätsangebot
    • E-Ladestation, Car- und Bike sharing
    • Werksbank für Lastenräder in der Einfahrtsebene
  • Im Erdgeschoss entlang Litolffweg sowie am Werder
    • hier sind Werkstatt, Handwerksbetriebe, Atelier und Gewerbeflächen verortet
  • Mehrfamilienhäuser (3–5-geschossig)
    • Familienwohnen, Singles, Paare, Baugruppen
    • altengerechtes Wohnen, Studentenapartment, gefördertes Wohnen
  • Stadthäuser (3–5-geschossig):
    • Mehrgenerationen Wohnen, Freiberufler, Existenzgründer
  • Großer Hof:
    • Gemeinschaftlichen urbanen sharedspace mit Pavillons und Spielfläche Car- & Fahrradstation am Großer Hof
  • Hof Kemenat:
    • Vinothek und Gastronomie im Denkmal geschütztes Gebäude Start-Up / Co-Working Bürofläche
    • Gemeinschaftswohnen
  • Abhol- und Paketstation sowie Wertstoffcontainer nähe Markthalle

Beurteilung des Preisgerichts

Die Jury würdigt die maßvolle und angemessene städtebauliche Dichte und den konzeptionellen Ansatz einer Verknüpfung des Wohn- und Kreativquartiers mit den umliegenden Nachbarschaften in alle vier Himmelsrichtungen. Der ehemalige Parkplatz mit seinem mächtigen Platanenbestand wird zum parkartigen und kühlenden Zentrum dieser Verbindungen. Daran adressieren die Entwurfsverfassen- den im Fußabdruck und unter Einbeziehung der Bestandsmauern den Kreativbaustein, der sich in Form und Struktur an die ehemalige Markthalle anlehnt. Dieser bildet zur Ost- / Westverbindung von Andreaskirche bis zum Werder einen 3-geschossigen Kopfbau mit dahinterliegenden kleinteiligeren Kita-Gebäuden aus. Deren Anordnung unter der offenen Dachstruktur bildet einen geschützten Spielhof und qualitativ hochwertigen und geschützten Freiraum.

Die zwei Wohnblöcke entlang der Reichsstraße mit aktiver Erdgeschossnutzung und differenziertem Wohnungsmix werden positiv bewertet, wenn auch die Dimensionierung des südlichen Hofes und der Gassen zwischen den beiden Blöcken als deutlich zu eng bewertet wird. Das Bestreben der Vernetzung wirkt an dieser zentralen Stelle kaum glaubwürdig.

Die Lage des Quartiershubs und die Entscheidung die Verkehre aus dem Quartier zu nehmen wird begrüßt, wenn auch die Dimensionierung überzogen und nicht nachvollziehbar ist und zu überdenken ist. Insbesondere in Bezug auf die angrenzende denkmalgeschützte Kemenate und den durchaus überzeugenden Ansatz, hier einen weiteren Kreativbaustein zu etablieren, wirkt das Volumen wenig sensibel und angemessen.

Die Jury diskutiert kontrovers die kleinteilige Wohnnutzung entlang der Wendenstraße hinsichtlich der noch nicht ganz überzeugenden Zweiseitigkeit und der maximalen Flächennutzung zu Lasten des vorhandenen zum Teil mächtigen Baumbestandes, bei allen dargestellten Erhaltungsbemühungen.

In Bezug auf Themen der Nachhaltigkeit, wie die blau-grüne Infrastruktur, Hitzeanpassung und den Erhalt des Baumbestandes, zeigt die Arbeit gute Ansätze, die aber noch präziser im Raum verortet und ausformuliert werden müssen.

Erläuterungen und Hinweise