2. Preis - Beitrag 1007

holger meyer gmbh, Frankfurt a.M. mit Lützow7 Landschaftsarchitekten, Berlin

Lageplan urbanes Quartier am Hauptgüterbahnhof 2. Preis - Beitrag 1007© holger meyer gmbh, Frankfurt a.M. mit Lützow7 Landschaftsarchitekten, Berlin

Erläuterungen des Planungsteams

Stephenson Höfe - Bebauungsstruktur und Nutzungen

Seine städtebauliche Qualität bekommt das Quartier durch seine Bebauung in Form einer vier- bis sechsgeschossigen Blockrandstruktur, einem engmaschigen Wegenetz und die Schaffung von differenzierten Freiräumen. Eine besondere Stellung im räumlichen Gefüge erhält “DIE H_LLE”, die als kulturelles Zentrum und Quartierstreff, wie ein Gelenk zwischen dem nordöstlich gelegenen Eingangsplatz und dem sich südlich aufspannenden, zentralen grünen Anger vermittelt. Hieran angrenzend befindet sich eine neue Wegeverbindung, in Form einer Promenade. Diese verbindet die neue öffentliche Grünanlage im Südosten mit dem Nachbarschaftsplatz im Nordwesten und bildet einen Anschluss an das Wohnquartier Ackerstraße. Südwestlich der Promenade sind zwei weitere, zum Anger ausgerichtete Baublöcke, die das Ensemble der ersten Bauphase komplettieren. Nordwestlich der Stephensonstraße sind drei Baufelder vorgesehen, die durch den Nachbarschaftsplatz und einen Pocketpark gegliedert sind und an das Quartier Ackerstraße angrenzen. Für die langfristige Entwicklungsperspektive, nach Entfall des DHL-Logistikzentrums, sind für diesen Bereich zwei weitere Baufelder mit Blockrandbebauung und adressbildendem Pocketpark geplant, die das Gesamtbild vervollständigen.

Ausschnitt Quartiersplatz 2. Preis - Beitrag 1007© holger meyer gmbh, Frankfurt a.M. mit Lützow7 Landschaftsarchitekten, Berlin

Durch die typologische Vorgabe der Blockrandbebauung ist die Voraussetzung für eine kleinteilige bauliche Entwicklung mit großem Spielraum an individueller Freiheit gegeben. Insgesamt wird eine bewegte Silhouette angestrebt. Die Gliederung einzelner Häuser stiftet Identifikation der Nutzer*innen mit ihrer Adresse und trägt zu einem lebendigen Stadtbild bei. Die Baublöcke bilden klare Kanten und definieren den öffentlichen Stadtraum. Nach innen werden ruhige, begrünte Wohnhöfe mit wohnungsnahen Spielflächen und Begegnungsorten geschaffen. Die Wohnungen erhalten großzügige Loggien oder erdgeschossige Privatgärten. Die klare räumliche Zuordnung und die Hierarchie der Räume sind ein wesentliches Kriterium für ein gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten.

Innerhalb des Quartiers orientiert sich die Nutzungsverteilung an den städtischen Freiräumen. Am Eingangsplatz sind die Quartiersgarage mit Mobility-Hub, Nahversorgung und quartiersbezogene Dienstleistungen verortet, während für die Erdgeschosszone entlang der Promenade Gastronomie und Kleingewerbe geplant sind, das mit Wohnnutzungen kombiniert werden kann. Entlang der Ringstraße, mit Adressbildung nach Südosten zu den Gleisanlagen, sowie nach Süden zum DHL-Logistikzentrum, sind im Erdgeschoss großflächiges Gewerbe und in den oberen Geschossen schallunempfindliche Büronutzungen vorgesehen. Im Nordosten, im jetzigen Bereich der Stephensonstraße, ist hauptsächlich der geförderte Wohnungs- bau zu finden, sowie die Grundschule und eine Kita.

Eine Durchmischung der Baufelder kann flexibel mit Mehrfamilienhäusern, gestapelten Maisonetten und Gewerbebauten auf unterschiedlichen Parzellengrößen erfolgen, was eine Vielfalt an Bewohner*innen- und Nutzer*innenstruktur in überschaubaren Nachbarschaften fördert.

Einen besonderen Stellenwert innerhalb des neuen Quartiers, erhalten die zwischen Gleisanlagen und neuem Park umgebauten Bestands-Güterhallen. Als Pendant zu der H_LLE bieten sie quartiersübergreifend eine kreative und kulturelle Plattform für Events, neue Gastronomiekonzepte, Ausstellungen und autonom verwaltete Räume für Jugendliche. Darüber hinaus werden diese Hallen durch zwei weitere Neu- bauten mit Loftbüros und Co-Working-Flächen ergänzt.

Auf dem Teilgrundstück zwischen der Helmstedter Straße und Am Hauptgüterbahnhof sieht das städtebauliche Konzept eine kleinteilige Bebauungsstruktur vor, die strukturell an die östliche Zeilenbebauung anknüpft. In Teilen werden erhaltenswerte Gebäudeensembles mit Werkhofcharakter in die Neuordnung integriert. Am westlichen Rand ist eine Wohnbebauung vorgesehen, die sich zur neuen Grünraumverbindung öffnet.

Vogelperspektive 2. Preis - Beitrag 1007© holger meyer gmbh, Frankfurt a.M. mit Lützow7 Landschaftsarchitekten, Berlin

Mittendrin | Grün- und Freiraum der Stephenson Höfe

Die akzentuiert geometrische Setzung der Baukörper entwickelt eine spannungsreiche Allianz zu den fließenden, vegetativen Freiräumen. Ein umlaufendes „Grünes Passepartout“ schafft einen behutsamen Übergang des neuen Quartiers in den angrenzenden Stadtraum. Das „Ringgleis“ als grüngeprägter, klimaschutzwirksamer Freiraum mit seinem hohen Naherholungs- und Freizeitwert und integrierten Rad- und Fußweg, gewährleistet über den im Osten situierten „Güterbahnhof-Park“ eine adäquate Fortführung und die Erreichbarkeit des neuen Stadtraumes.

Unterschiedliche Freiraumtypologien schaffen in ihrer Vielfalt als Ganzes ein durchgrüntes, klimaresistentes Ensemble. Die privaten Innenhöfe als gemeinschaftliche, grüne Zimmer erzeugen eigene Identitäten für die Bewohner*innen und bieten neben Kinderspiel Orte der Regeneration und Kommunikation an.

Gleichfalls wird hier, sowie auf den für intensive Begrünungen nutzbaren Dachflächen (z. B. Nahversorger, Quartiersgaragen etc.), eine lokale gärtnerische Produktion (urban farming / gardening) ausdrücklich gewünscht und durch infrastrukturelle Angebote gefördert. Das Quartier erhält durch seine klare Hierarchisierung der Wege- und Grünverbindungen, deren Querungen und Sichtachsen, die Platzabfolgen und Promenaden eine strukturierte Orientierung und Durchlässigkeit, wobei der angrenzende Stadtraum an signifikanten Stellen selbstverständlich angebunden wird und neue Nachbarschaften entstehen.

Im Gegenüber der „H_LLE“ wird als Neue Mitte des Quartiers, unter Integration der Bestandsgehölze, eine für Veranstaltungen, Ausstellungen, Events nutzbare urbane Parkanlage vorgeschlagen. Die Stephensonstraße wird als alleeartiger „Grüner Boulevard“ weiterentwickelt und bildet das Rückgrat des neuen Quartiers. Im Norden bindet sich der zentrale Quartiersplatz mit hoher Nutzungs- und Aufenthaltsqualität an. Im Westen schafft der Nachbarschaftsplatz im vis-a-vis der Grundschule einen quartiersübergreifenden Treffpunkt. In seiner Fortsetzung führt die „Grüne Promenade“ mit ihren Spiel- und Aufenthaltsangeboten zum „Güterbahnhof-Park“. Der „Urbane Wildgarten“ südlich und westlich der Güterhallen bietet neben gemeinschaftlichem Gärtnern, partizipative, selbstbestimmte Freiräume zum Arbeiten im Freien (Co-Working) und Veranstaltungen an.

Fußgängerperspektive 2. Preis - Beitrag 1007© holger meyer gmbh, Frankfurt a.M. mit Lützow7 Landschaftsarchitekten, Berlin

Erschließung und Mobilität

Das Erschließungskonzept sieht für das neue Stadtquartier den Beibehalt der Stephensonstraße vor, wobei sie in südöstlicher Richtung bis zu den Gleisanlagen der DB ausgebaut und verlängert wir. So entsteht eine Ringstraße, von der alle Baufelder verkehrlich erschlossen werden können. Für das neue Stadtquartier sind zwei Quartiersgaragen angrenzend an die Straße “Am Hauptgüterbahnhof” vorgesehen, die die notwendige Anzahl an Stellplätzen aufnehmen.

Beurteilung des Preisgerichts

Die mit der Überschrift „Urbanes Wohnen und Arbeiten am Hauptgüterbahnhof Braunschweig“ betitelte Arbeit entwickelt mittels geschickt angeordneter, klar als Blockrandbebauung strukturierter Baufelder eine eigenständige Haltung für das neue Stadtquartier. Die Übergänge zu den angrenzenden, bestehenden Bauflächen werden sinnfällig besetzt. Es entsteht ein dichtes Quartier in guter Nachbarschaft und mit selbstverständlichen Übergängen. Der Arbeit gelingt es, ein stark durchgrüntes Quartier mit angenehm bemessenen Freiräumen zu entwickeln. Neben der guten Anbindung an das Bestandsquartier an der Ackerstraße wird im Süden eine großzügige Grünverbindung zwischen dem bestehenden Friedhof und den südwestlichen anschließenden perspektivischen Entwicklungsbereichen der Bahnstadt aufgespannt.

Im Bereich des Teilgebiets an der Helmstedter Straße schlagen die Verfasser*innen eine angemessene, gut auf den Bestand und die erforderlichen Raumdurchlässigkeiten abgestimmte, feinkörnigere Bebauungsstruktur vor.

Atmosphärische Aufnahme während des Preisgerichts© Stadt Braunschweig

Die Bespielung der an die bestehende H_LLE angrenzenden öffentlichen Freiflächen als städtische, verkehrsberuhigte Begegnungsräume mit zentralem, baulich gefasstem, grünen Quartiersplatz ist maßvoll. Es entstehen je ein befestigter und ein durchgrünter Platz, die vielfältige Nutzungen der kreativen Mitte erwarten lassen und Nachbarschaften fördern können. Somit entstehen ein zentraler Bereich mit aktiven Schnittstellen zur Randbebauung und hohem Identifikationswert, sowie großem Potenzial für die kulturelle Aneignung. 

Die städtebauliche Grundstruktur verspricht im Hinblick auf die Einordnung von Nutzungen in den Blockrand hohe Flexibilität. Quartiersgaragen mit Mobilitätsangeboten, Nahversorgung und quartiersbezogene Dienstleistungen werden sinnfällig am Quartierseingang eingeordnet. Tief im Quartier besetzt ein neuer Schulstandort die Querverbindung zur bestehenden Nachbarschaft und schafft so Anknüpfungspunkte für eine gemeinsame Versorgung der Nachbarschaft.

Eine Ringstraße sichert die Erschließung von Anlieferzonen im Gebiet. Neben den als „grüne Fugen“ beschriebenen öffentlichen Bewegungsräumen, schaffen großzügige, grüne Hoflagen mit Durchgängen die öffentliche Parkanlage an der im Süden das Gebiet begrenzenden Bestandshalle ein. Es entsteht ein Netzwerk von Freiräumen mit klaren Zuordnungen und gutem Potenzial für Klimaanpassungsmaßnahmen (wie z.B. Regenwassermanagement o. Baumpflanzungen). Der Güterbahnhofpark wird kontrovers diskutiert. Seine Vernetzungsfunktion in Nord-Süd-Richtung wird als positiv gewertet, scheint aber in seiner Lage zwischen rein gewerblicher Nutzung von der Wohnnutzung zu separiert. Die neue Anbindung der Straßenbahn nach Norden ist nicht dargestellt.

Der Beitrag setzt sich intensiv mit Innovationspotenzialen im Bereich der Materialverwendung, energetischen Gebäudeversorgung und Klimaanpassung (z.B. Gebäudekühlung und Regenwassernutzung, Retention und Regenwassernutzung, Schwammstadt) auseinander.

Die differenzierte Höhenstaffelung der Gebäude mit moderaten Eckbetonungen der Blockränder ist nachvollziehbar und verspricht die Ausbildung einer bewegten Stadtsilhouette mit unterschiedlichen Programmierungen der Dachlandschaft.

Die Phasierung ist nachvollziehbar und verspricht eine in sich konsistente, baulich gut umsetzbare Quartiersentwicklung, die ausgehend von einer Kernzone die baulichen Ränder besetzt.

Insgesamt erscheint das Konzept als sehr robust im Hinblick auf eine Weiterentwicklung der vorgeschlagenen Gebäudeprogramme, einschließlich der Konkretisierung der Erdgeschosslagen und Schnittstellen zum öffentlichen Raum.

Erläuterungen und Hinweise