3. Preis - Beitrag 1001

Studio Wessendorf, Berlin mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin

Lageplan urbanes Quartier am Hauptgüterbahnhof 3. Preis - Beitrag 1001© Studio Wessendorf, Berlin mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin
Fußgängerperspektive 3. Preis - Beitrag 1001© Studio Wessendorf, Berlin mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin

Erläuterungen des Planungsteams

Konzept

Der langgesteckte, die Harkortstraße begleitende Platz wird das neue Herzstück des urbanen Quartiers. Er wird durch die Freiraumnutzung der H_LLE, die damit prominent ins Zentrum gerückt wird, belebt und fungiert als grüne Oase im Quartiersinneren. Seine prägnante, leicht konische Form entspringt der ehemaligen Gleis- und späteren Straßenführung. Durch den Erhalt des inneren Loops der Stephenson- und Harkortstraße werden vorhandene Ressourcen genutzt und eine flexible, sukzessive Entwicklung ermöglicht. Gleichzeitig entsteht so eine prägnante Morpholgie, die an die divergierenden, sich auffädelnden Gleise erinnert.

Ausschnitt Harkortplatz 3. Preis - Beitrag 1001© Studio Wessendorf, Berlin mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin

Freiraumkonzept

Das Freiraumgerüst besteht aus diesen divergierenden Längsachsen und den dazu bewusst im Kontrast versetzt angeordneten Gassen und Plätzen. Dies ist der feinmaschige Rahmen für ein vielfältiges Freiraumprogramm, welches sich je nach Lage entfalten kann. Die versetzte Anordnung schützt den nördlichen Wohnbereich vor dem Lärm der Gleistätigkeiten. Eine Promenade an der neuen, südlichen Stadtkante begleitet die Gleise mit einer Radhauptroute und Promenade für zu Fuß gehende. Damit wird eine wichtige, stadträumliche Barriere überwunden. Die Promenade schafft als baumbestandener Grünzug einen adäquaten Abschluss und ist Vorhaltefläche einer langfristig potenziell zu führenden Stadtbahn. Das neue Quartier erhält ein markantes Entrée am Scharnier „Am Hauptgüterbahnhof / Stephensonstraße“. Der zeichenhafte Hochpunkt an der dort platzierten Mobilitätsstation, markiert einen Entréeplatz. Stadteinwärts staffelt sich die neue, die Helmstedter Straße säumende Bebauung nach oben und leitet zum Entrée mit einem neuen Nahversorger.

Vogelperspektive 3. Preis - Beitrag 1001© Studio Wessendorf, Berlin mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin

Gebäudenutzung und Lärmschutz

Die Baufelder können flexibel bebaut werden, abhängig von Ihrer stark vom Lärm beeinflussten Lage und Nutzung. Hybride Hallenbaukörper für urbane Produktion, Kultur- und Freizeitnutzung, Handwerkerhöfe und Bürogebäude schaffen einen robusten Mantel um bestehende gewerbliche Nutzungen. An den Gleisen und Straßen leistet eine geschlossene Bebauung aktiven Schallschutz und ermöglicht dahinterliegende, ruhige Wohnoasen, die sich graduell nach Norden öffnen und mit dem Quartier Ackerstraße korrespondieren. Die südlichen Lagen an den Gleisen bieten ebenfalls Potenzial für eine Wohnnutzung mit Weitblick. Hier wären Schallschutzmaßnahmen zu treffen. Das Nutzungsverhältnis ist somit noch flexibel anpassbar. 

Der lange Platz der neuen Mitte verbindet den produktiven und kulturellen Ostteil mit dem mischgenutzten Wohnviertel auf der anderen Seite. Gastronomische Angebote sollen durch bewusst geförderte, gemeinschaftliche Nutzungen in den Erdgeschosszonen am Platz ergänzt werden. Das Quartiersentrée wird durch Einzelhandel und Mobility-Hub zu einem belebten Ort des Ankommens und verlinkt damit das neue Quartier mit der Innenstadt. 

Die hybride Bebauung bietet vielfältige Wohntypologien. Gerade in Kombination mit besonderen Nutzungen entstehen Synergien für besondere Wohnformen wie z. B. Mehrgenerationenwohnen über der Kita, Loftwohnen an der neuen Ausstellungshalle, Wohnen und Arbeiten in den Dockgebäuden oder Maisonette- und Duplexwohnen. In den Wohnhöfen werden Mietergärten angeboten und auch die bestehen Kleingartenkolonie wird behutsam in einen öffentlich zugänglichen Wohnhof integriert. 

Die Grundschule bildet eine Adresse zur Helmstedter Straße aus und orientiert sich gleichzeitig zum ruhigeren Süden, mit viel Platz für Freiraumnutzungen und Sport. Schule, Gewerbehof der heutigen Firma Goedicke, neue Höfe und eine Kita gruppieren sich um einen Nachbarschaftsplatz. Durch die Anbindung der Straße Am Hauptgüterbahnhof an den Osten wird der zentrale Bereich von gewerblichem Verkehr entlastet und die komfortable Querungsmöglichkeit und der sichere Schulweg für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen zum westlichen Teilquartier optimiert.

Die Regelgeschossigkeit beträgt fünf-, im Übergangsbereich zur bestehenden Wohnbebauung im Norden und Osten vier Geschosse. Sieben- und achtgeschossige Akzente markieren den zentralen Platz, die südlichen Stadtkante und den Entreébereich (15-geschossige Dominante).

Ausschnitt Entréeplatz 3. Preis - Beitrag 1001© Studio Wessendorf, Berlin mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten, Berlin

Mobilitätskonzept

Die öffentliche Anbindung des neuen Quartiers wird über die Stadtbahn und Buslinie an der Helmstedter Straße gewährleistet. Langfristig kann die ÖPNV-An- bindung mit der neuen Streckenführung im Süden an der Gleispromenade weiter verbessert werden. Der ruhende Verkehr wird zentral und effektiv durch die Quartiersgarage direkt am Entrée abgefangen. Somit wird ein autoarmes Quartier geschaffen, dessen verbleibender Verkehr der Ver- und Entsorgung gebündelt über den Loop geführt wird.

Gewerblicher Verkehr bleibt im östlichen Anfangsbereich des Loops, wodurch das Wohnquartier unberührt bleibt. Die Quartiersgarage beherbergt auch Mobility-Hubs bzw. Logistik-Hubs, mit einem umfangreichen Sharing-Angebot (Pkw, Vans, Lastenräder, E-Scooter etc.) sowie einer Lieferstation. Er wird ergänzt durch ein feingliedriges Netz an Mobilitätsstationen im Quartier, sodass immer eingangsnah die Mobilitätsangebote wie Leih- und Lastenräder für den täglichen Bedarf verfügbar sind. Das Wegenetz für den Fuß- und Radverkehr ist feinstufig hierarchisiert und vernetzt das neue Quartier mit den bestehenden Nachbarschaften engmaschig. Eine Hauptradroute begleitet die Gleispromenade und schafft eine neue stadträumliche Verbindung. Für die Feinerschließung des Quartiers können autonome Shuttles zum Einsatz kommen, die das hervorragende ÖPNV-Netz ergänzen.

Beurteilung des Preisgerichts

Die Arbeit ist qualitätsvoll ausgearbeitet und besticht durch eine klare und kompakte städtebauliche Struktur, orientiert entlang der früheren Erschließungsstruktur und den Gleisanlagen. Es entsteht ein neues urbanes Quartier mit klar definierten Straßenräumen und einem Quartiersplatz, aber auch mit guten Anbindungen an die Nachbarquartiere. Der Entwurf kann phasenweise umgesetzt werden, beginnend mit dem Entree und dem Quartiersplatz. Großräumlich wird die Nord-Süd-Grünachse zum Friedhof ausgebaut. Der Vernetzungsgedanke wirkt mit der Baumreihe als Achse jedoch eher schwach und könnte stärker herausgearbeitet sein.

Die trapezförmigen, gut proportionierten fünfgeschossigen Baublöcke gruppieren sich um einen zentralen Platz, den sogenannten Hartkortplatz an der H_LLE. Dieser ist zweigeteilt in einen urbanen Platz und einen Grünzug. Hier sind Mischnutzungen aus Kultur, Produktion, Wohnen sowie eine Ausstellungshalle vorgesehen. Die Blöcke sind am Platz mit Erhöhungen an den Ecken pointiert. Der Arbeit gelingt es generell, ein gut differenziertes Freiraumangebot zu entwickeln. Gewürdigt werden die dezentral angeordneten Grünflächen in Form von Pocketparks, welche sowohl Freiraumangebote im Quartier schaffen, als auch wichtige Funktionen für das Regenwassermanagement übernehmen. Die Vernetzung in Ost-West- Richtung ist über eine spannungsvolle Abfolge von Plätzen und Gassen gegeben. 

Am Entree Richtung Innenstadt befinden sich die Quartiersgarage und ein Nahversorger. Diese sind zurückversetzt angeordnet, um einen kleinen Platz als Auftakt anzuordnen. Außerdem ist dort ein Hochhaus mit 15 Geschossen vorgesehen, um den Eingangsbereich an der richtigen Stelle zu betonen. Auch die Spitze am Dreieck ist räumlich klar gefasst.

Atmosphärische Aufnahme während des Preisgerichts© Stadt Braunschweig

Im östlichen Bereich wird ein lärmabschirmender Zeilenbau für Dienstleistungen errichtet, teils unter Nutzung bestehender Hallen. Dieser wird durch eine Promenade erschlossen.

Im westlichen Bereich wird der Übergang zum Bestandsquartier so aufgelockert gestaltet, dass die Topographie berücksichtigt ist und Bestandsgebäude erhalten werden können. Über zwei Querverbindungen wird das Bestandsquartier verknüpft. Hier entstehen aber teils halboffene Bereiche, bei denen der öffentliche Raum nicht klar definiert ist. 

Die Schule wird im nordöstlichen Bereich platziert, gegenüber dem Hauptfriedhof. Die Lage der Grundschule ist grundsätzlich zu diskutieren – sie ist gut mit dem öffentlichen Nahverkehr sowie dem Nachbarquartier verknüpft, befindet sich aber für das neue Wohngebiet etwas in Randlage. Hier werden bestehende Hallen erhalten und auch eine Kita angesiedelt.

Das gesamte Quartier ist autofrei gestaltet, die Wege zwischen den Blöcken sind jedoch notfalls entlang des Loops befahrbar. Der östliche Dienstleistungsbereich ist mit dem Auto erreichbar. Der öffentliche und private Raum sind klar voneinander getrennt. Zwischen den Blöcken sind teilweise kleine Grünanlagen angeordnet. Die Erschließung von DHL erfolgt über eine neue Zufahrt vom Süden aus. 

Die separaten Konzepte zur Energie und Schwammstadt sind nachvollziehbar und gut mit dem Städtebau verknüpft. Die Blockinnenbereiche sind alle begrünt. Zur Wärmeversorgung ist eine kaltes Nahwärmenetz vorgesehen, außerdem sind PV-Anlagen auf den Dächern geplant. 

Somit entsteht ein kompaktes und teils nutzungsgemischtes Stadtquartier der kurzen Wege, das eine klare Mitte ausbildet, aber auch die Umgebung ein- bindet. Die Dichte ist relativ hoch, die BGF ist im Aurelis-Bereich deutlich überschritten, im Intreal-Grundstück aber unterschritten. Über die Wegeführungen und Einbindung von Bestandsbauten wird eine starke Identität befördert. Es gibt einen klar definierten öffentlichen Raum, aber keine größeren Grünachsen.

Erläuterungen und Hinweise