Gesamtchronologie
Die Timmerlaher Kirche im Wandel der Zeit
So wie sich Dinberloha im 9.Jhd. bis heute gewandelt hat, so hat sich mit den Menschen auch optisch und faktisch die Kirche als Institution und Gebäude gewandelt.
Mit der Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Großen wird das Christentum in Norddeutschland gewaltsam eingeführt. 815 wird das Bistum Hildesheim, dessen östliche Grenze die Oker bildete, von seinem Sohn, Kaiser Ludwig dem Frommen, gegründet. Machtinteressen der Herrschenden wollen bis dahin ggf. unbewohnte Landstriche mit ihren Untertanen bevölkern. Menschen haben dadurch die Chance auf ein "eigenes" Stückchen Land, wenn sie dieses urbar machen, u.a. durch Rodung von Wäldern..
In einer Schenkungsliste an das Kloster Fulda in der 1.Hälfte des 9.Jahrhunderts (830) findet sich u.a. erstmalig der Name "Dinberloha" als plastische Beschreibung für unseren Flecken: "timber" = dunkel und "La" = Gehölz oder Wald bzw. "Ort, wo Bauholz geschlagen wird".
Ab dem 10.Jahrhundert bildeten sich Archidiakonate (Instanzen zwischen bischöflicher Verwaltung u. Pfarrei), wobei "Timmerla", "Sunnenberge" und andere (geringe) Kleinstbesiedelungen im "Hildenßemliken sprengel" zu "Denstorp" gezählt werden. Die Pfarrkirche in Densdorf (seit 1051) wird die erste in unserer Region gewesen sein und "betreute" die umliegenden Menschenansammlungen mit.
In den kommenden 2 Jahrhunderten entstanden aufgrund der Bevölkerungsentwicklung weitere dörfliche Pfarrkirchen, u.a. in "Timmerla" (vermutlich im romanischen Stil). Am 17.5.1339 beauftragt der Domherr Albert von Ghetelde (Geitelde) als Vertreter des Archidiakons Denstorp den Pfarrer Heydeko aus Timmerla mit der Einführung des Priesters in die Pfarre in "Wettellemstede" (Wedlenstedt). Da selbst 1539 erst 17 Personen, nur Männer (Waldarbeiter?) hier gewohnt haben, ist zu vermuten, dass Timmerla als Pfarrkirche wiederum Glaubenszentrum für die umliegende Bevölkerung geworden war.
Ab 1520 kann sich die Reformation immer mehr durchsetzen. Der in Braunschweig am 20.5.1528 eingeführte Vertraute Luthers, Johannes Bugenhagen, wurde mit der Durchführung der Reformation in Braunschweig beauftragt. Hier entwarf er eine neue Kirchenordnung, die für die Entwicklung des evangelischen Kirchenwesens grundlegende Bedeutung hatte. Tiefgreifende Veränderungen gingen damit einher: Kontrolle des (weltlichen) Rats über das Kirchenwesen, Ablauf der Gottesdienste, Aufgaben und Einkünfte der Pfarrer, Fürsorge und Unterrichtung der Kinder usw.
1531 trat Braunschweig dem Schutzbündnis der evangelischen Städte und Fürsten, dem schmalkaldischen Bund, bei. 1539 wird die Lehre Luthers im Landgebiet eingeführt. D.h. Menschen, bisher Katholiken, waren ab sofort Evangelen. Doch bereits 1547 kehrt der vertriebene, streng katholische Landesherr, Heinrich der Jüngere, wieder zurück und hob alle Veränderungen wieder auf und führte den katholischen Glauben wieder ein.
Erst sein Sohn und Nachfolger Herzog Julius, der am brandenburgischen Hof evangelisch erzogen wurde, setzt 1568 die Reformation in Braunschweig-Wolfenbüttel und Umgebung endgültig durch.
Es zeigt sich, dass neben religiösen, insbesondere machtpolitische Erwägungen der Herrschenden die entscheidende Rolle in der Frage der Religionszugehörigkeit gespielt haben, denen sich die einfachen Menschen/Untertanen unterzuordnen hatten. Eine freie Religionswahl des einzelnen gab es nicht. War aber zu der Zeit auch kein Gedanke der Menschen. Auf jeden Fall waren alle, d.h. 100% der Menschen der landesherrschaftlichen Religion zugehörig.
Die nächsten Nachweise zu unserer Kirche sind zum einen gegeben durch das 1650 der timmerlaher Kirche von „Curdt von Horen sehlich und Dorotea von Retten s(eine) n(achgelassene) Wit (we ) gestiftete Altargerät: Ein gothischer Kelch aus vergoldetem Silber und die dazu gehörige Patene.
Und zum anderen der nachweisbare Kirchenbau in Timmerlah von 1684 aufgrund einer eisernen Kirchturmfahne, die lt. Dokument des Pfarrers Hieronymi vor dem Kirchenneubau 1799 vom Kirchturm genommen wurde.
„Vormals stand auf der Mitte des Thurm=Daches eine eiserne Fahne, worin sich die Jahreszahl 1684 befand, welche also 114 Jahr gestanden ist."
Für das Dach dürfen wir durch Pastor Hieronymis Ausführungen eine regionalübliche Pyramidendachform unterstellen:„Das bisherige alte Thurmdach bestand bloß aus alten etwa 15 Fuß langen gegen einander gerüsteten Sparren, u. war an allen 4 Seiten mit Ziegelsteinen behängt.“
Dieser hölzerne Kirchenturm wird im Unterbau feste Mauern gehabt haben und zum Kirchraum - anders als heute - offen gewesen sein, „weil der Raum unter dem Thurm, wo bisher in Ermangelung des nöthigen Platzes in der Kirche selbst, die Häuslinge ihre Stellen suchen mußten, ferner zur Aufbewahrung der Todtenbahren dienen kann.“
Seit der Reformation kennen wir die örtlichen Geistlichen (s. www.timmerlah.de) und aufgrund von Notizen stehen uns mosaikartig Informationen über unsere Kirche und die Gemeinde Timmerlah zur Verfügung:
1690 unterstützt das Consistorium zu Wolfenbüttel die Bitte der Gemeinde Timmerlah "vor den Thüren von gutherzigen Leuten sammeln zu lassen" "zur Beförderung dieses abgebrannten und wieder aufzubauenden Pfarrhauses freygebig zu erweisen".
1733 wurden in der mata cominata Timmerlah und Sonnenberg zu einer Kirchengemeinde zusammengelegt, zu der auch Broitzem als Tochtergemeinde (bis 1953) gehörte. Der Lehrer und Opfermann Vellguth schreibt (1742) u.a., dass "die Broitze`sche Gemeinde allhier zur Kirche kommt".
Als Folge davon reicht der Kirchenraum für die Vielzahl der Gläubigen nicht aus. Die Lösung wird in einer Innenerweiterung der Kirche durch den Bau einer Prieche, d.h. einer Empore, gesehen. Doch selbst 1739 fehlten hierzu noch 180 Taler, die jedoch dank der Unterstützung der Sonnenberger aufgebracht werden konnten, die aufgrund von Ländereien und anderen Einkünften über weit mehr finanzielle Mittel verfügten als die Timmerlaher.
Ueber die Glocken erfahren wir erstmalig 1753 etwas und zunächst nur, dass Heinrich Conrad Michaelis, Stück-und Glockengiesser in Braunschweig einen Kostenvoranschlag für eine 10 Ctr. schwere Glocke erstellt hat.
(1768 soll wie andern Ortes auch das Pfarrwitwenhaus an den Meistbietenden verpachtet werden. Pastor Colditz schreibt, dass aufgrund der (zu) hohen Mieten (ab 1763 mußten 10 Thl statt 8 Thl gezahlt werden, entspricht einer 25 %igen Mieterhöhung!) die "Häuslinge" ggf. zu Diebereien verleitet würden, insbesondere weil das Pfarrwitwenhaus eng mit der Pfarrscheune vebunden war.)
1774 meldet Pastor Schroeter, dass das Strohdach des Cutsch-Schauers schlecht sei und neu gedeckt werden müsse, da sonst sein Wagen und anderes dort untergebrachtes Geschirr schlecht würde.
Die Timmerlaher Bauern weigern sich, dazu Stroh herzugeben, die Sonnenberger und Broitzemer zögern?! - Der eingeschaltete Land-Commissar erfährt, dass die Kutsche von den Sonnenbergern und Broitzemer genutzt wird und somit auch von diesen das Dach für den "Unterkunfstraum" der Kutsche zu flicken ist.
Zur Verbesserung seiner Arbeitsbedingungen wünscht Pastor Schroeter 1776 den Umbau der Stuben im Pfarrhause, da die eine durch eine dünne Wand, in welcher der Ofen steht und sich ein Fenster befindet, in zwei Teile geteilt wird. "Hier nehmen die Dienstboten an meinen Amtsgeschäften teil, währenddem ich unter ihren Ungezogenheiten leide.“
Doch er denkt nicht nur an seine Lebenssituation, sondern als Teil der Lebensgemeinschaft, kennt er auch die Sorgen und Nöte seiner "Schäfchen", in dem er auf Viehsterben, Verhagelung, Mäusefrass und Misswuchs beim Futter und Flachs hinweist und um Unterstützung beim Amt Eich zu Densdorf und beim Consistorium zu Wolfenbüttel bittet.
Mit der weiter wachsenden Bevölkerungszahl in den drei Gemeindeteilen mußte erneut eine Erweiterung des Kirchenraums in Angriff genommen werden, so dass über eine weitere Prieche an der Südseite im Kirchenschiff nachgedacht wurde (Bericht der Visitatoren, März 1794): "Auch es in der dasigen Kirche an dem nöthigen Platze für die Brinksitzer und Häuslinge zu Broitzen, welche nothwendig ein Gedränge, und daher öfters eine Stöhrung des Gottesdienstes veranlaßen muß. Diesem Mangel an Platz kann nicht anders abgeholfen werden, als wenn eine neue Prieche der Südseite, von eben der Größe wie die an der Nordseite vorhanden, nemlich 24 Fuß 6 Zoll lang, und 4 Fuß 8 Zoll breit angelegt wird, wodurch wenigstens 24 Stellen gewonnen werden."
Dieser Umbau wurde zeitnah umgesetzt und kann von uns anhand eines Bildes begutachtet werden:
Was erfahren wir noch über den Innenausbau der Kirche:
"Der Eingang war an der Nordseite des Turmes, die Tür nischenartig, die Decke war flach und aus Holz. Eine Orgel war nicht vorhanden. Doch hatte man sich nach einer noch heute in den Kirchenakten liegenden Zeichnung des Orgelbauers Sander in Braunschweig im Jahre 1814 mit dem Gedanken getragen, eine solche zu beschaffen. Unten im Turm befanden sich Männerplätze,zum Teil mit Seitenlehnen, sodass jeder Platz lehnstuhlartig war. In der Mitte war ein Gang auf den Altar zu, rechts und links Sitzbänke, an denen runter im Gange je eine Bank für die Mädchen lief, sodass die Frauen, um auf ihren Platz zu kommen, jedesmal übertreten mussten. Auf dem Chore sassen die Jungen und an den Seiten waren Stühle mit Türen und Seitengittern für einige Bauernfamilien und die Familien des Superintendenten und Lehrers. Zwei Priechen waren vorhanden. Die Sakristei befand sich rechts vom Altar. Vom Altar ist wesentliches nicht zu berichten." (Cramm Bd.3, S.26)
Nach 1753 wird eine Glocke gegossen worden sein. Doch bereits 1798 ersuchen die Timmerlaher um eine Beihülfe zum Umgiessen einer geborstenen Glocke nach, worauf die fürstliche Geheime Kanzlei ihnen schreibt, dass sie die gesprungene Glocke im Zeughaus abliefern und dafür vom Fürsten eine neue geschenkt erhalten sollen.
Unabhängig davon fand im gleichen Jahre zur Anschaffung einer grösseren Glocke eine Geldsammlung statt. Im Vertrag mit dem Glockengiesser Z.H.Wicke wird vereinbart: "..der Glocke einen helldurchdringenden Ton zu geben und für dieselbe ein Jahr einzustehen." (ebenda)
Im Zuge dieser Massnahmen erhält der Kirchturm 1799 erstmalig seine einmalige Zwiebelhaube.
1803 bittet Pastor Rüdemann den Verkauf der alten Linde neben der Kirche zu genehmigen (wurde erstmalig von ihm 1794 erbeten, doch die Gemeinde wollte sie nicht missen und teilte mit "würde keiner sich einfinden, darauf zu bieten" sowie den Verkauf eines Leichensteins und der grossen Esche.
Erst mit der Massgabe, das Geld zur Untermauerung des Turmes zu verwenden, erfolgt der Verkauf.
Erzielt wurden 20 Thl 2 ggr. Herm. Reinicke kaufte den Stein (der lt. Cramm noch 1928 auf Gehrs Hofe (No. 29) im Viehstall zu finden war - wo mag er heute sein?), der Leineweber Meier die Linde und der Krüger Warnecke die Esche.
("1805 besteht die Absicht, die Schulstube zu vergrössern. Wegen ausserordentlicher Steuern und ununterbrochener Kriegsfuhren lehnen die Bauern ab. Die Notwendigkeit eines neuen Baues ist abgewandt. Durch allerlei Veränderungen, die Bequemlichkeiten brachten, ist der Lehrer zufrieden gestellt." (ebenda))
("1806 hält Pastor adj. Hieronimy um Besserung des Daches des Pfarrwitwenhauses an, das es sehr zerfallen ist (500 Steine fehlen)." (ebenda))
"1834 sank der Fußboden der Kirche ein, so daß ein neuer verlegt werden mußte." (Informationsblatt zur Ev.-luth.Kirche in Timmerlah)
Mit den Glocken hat man in Timmerlah viel Pech gehabt. Schon 1836 hatte die grosse Glocke wieder einen „Sprung" bekommen. Es erbot sich die Witwe Dorothee Katharina Elisabeth Reinicke, geb. Bortfeld, die geborstene grosse Glocke auf ihre Kosten umgiessen zu lassen und mit dieser Ausgabe hiesiger Gemeinde ein Geschenk zu machen." Umgegossen hat sie vorgenannter Glockengiesser Wicke in Braunschweig.
Bis zur Flurbereinigung und -neuordnung (Separation) 1866 erzielten die Pfarrer einen Teil ihrer Einkünfte mit Hilfe der dienstverpflichteten Bauern sowie aus eigener landwirtschaflticher Tätigkeit. Danach bestand sein Diensteinkommen im wesentlichen aus einem Gehalt.
Beides hatte sein für und wider und dank Cramms Ausführungen erfahren wir mehr über das Verhältnis zwischen dem timmerlaher Dorfpfarrer und seiner Gemeinde (ebenda Bd 4, S.13f): "Wetter, Ernte, Preise waren Dinge und Faktoren, die den Geistlichen damals ganz anders angingen wie den Dorfpastor von heute. Er lebte nicht nur unter den Bauern, er lebte mit ihnen, ihre Freude über diese oder jene gute Wirtschaftserscheinung war auch die seine und umgekehrt, er wusste stets wo seinen Beichtkindern der Schuh drückte. Aber diese „Medaille“ hatte auch eine Kehrseite. Das Wirtschaften durch die dienstpflichtigen Bauern war ein Abhängigkeitsverhältnis für beide Teile und hatte je nach dem Charakter beider Teile die Gefahr der Reibereien mehr oder weniger in sich. Ganz naturgemäss musste der geistliche Herr Materialist und Egoist werden – wenigstens soweit es seine Einkünfte anging – und es ist deshalb eigentlich nicht verwunderlich, wenn diese Seite sich regelmässig zeigte und stark hervortrat, wenn es zur Abgabe bzw. Übernahme kam.
Durch die Separation wurden die Verpflichtungen des Bauern gegenüber der Pfarre aufgehoben, der Geistliche gab seine Landwirtschaft auf, die Pfarräcker wurden verpachtet und für den Geistlichen bestand in der Folge sein Diensteinkommen in der Hauptsache im Gehalt.
"Heute hat man auf dem Dorfe oft das Gefühl als ob der Pastor nicht genügend in den wirtschaftlichen Dingen stände, die Zusammenhänge nicht kennte, weil das aus dem Magen oder Geldbeutel kommende Interesse fehlte, und die Leute – ich schliesse mich mit ein! – greifen gern auf die frühere Zeit zurück, wo der Pastor auch Bauer war."
In weniger als 80 Jahren verdoppelte sich die timmerlaher Bevölkerung von 278 (1793) auf 533 in 1867. Rechnet man dann noch die Sonnenberger und Broitzemer Kirchgänger hinzu, wiederholte sich das Problem, dass die Kirche viel zu klein war. 1869/70 wurde daraufhin das alte Kirchenschiff abgerissen. Aus den Bruch- und Feldsteinen der vorhergehenden Kirche wurde das Fundament des uns heute bekannten Baus erstellt.
"Der Neubau wurde im Frühjahr 1870 begonnen, kam durch den Krieg ins Stocken und war bis zum Winter kaum 1 m über die Fensterbänke gekommen. Der harte Winter 70/71 brachte viel Frostschaden, auch bei der Kirche, wo man beim Wiederbeginn der Mauerarbeiten ca. 1 m vom Mauerwerk abtragen musste, weil es auseinander gefroren war" (Cramm Bd.3, S.28).
Noch 1871 konnte die neue Kirche eingeweiht werden. Jetzt endlich erhielt die Kirche auch eine Orgel, geliefert vom Orgelbauer Richter aus Braunschweig. Ein glücklicher Umstand der späten Aufstellung war, dass Timmerlah während des Krieges 1870/71 die Metallpfeifen der Orgel nicht zum Einschmelzen abgeben mußte wie viele andere Kirchengemeinden.
Doch neben dem neuen, hohen Kirchdach wirkte der unverändert gebliebene Turm "recht unscheinbar und gedrückt" (c.Bd.3,S28).
Dieses muss auch das Schicksal als unpassend gesehen haben und „der alte Turmhelm 1899, genau 100 Jahre nach seiner Errichtung, in die Tiefe stürzte, zum Teil auch auf dem Kirchendache hängen blieb“ und zwar „unter der Mittagszeit, bei hellstem Sonnenschein“.(C.Bd.3, S....) Der alte Vater Behrens und Superintendent Schumann, der gerade auf Behrens Hofe war, wurden zufällig Zeugen der Katastrophe.
Dieser Einsturz war nach Cramm "...die Folge grosser baulicher Vernachlässigung. An der Beschieferung hatte man seit Jahrzehnten nichts repariert, namentlich nicht den immensen Schaden auch nur im bescheidensten Masse ausgebessert, den das Hagelwetter am 1. Juli 1891 angerichtet hatte." (C.Bd.3, S.29)
("...Fusshoch lagen stellenweise die Eisstücke, z.T. wie Taubeneier gross
und scharf wie Glassplitter. (...) Je weiter nach Braunschweig zu, desto furchtbarer hatte das Wetter gehaust. Kein Halm, kein Kartoffelstengel, kein Rübenblatt war geblieben. Gärten waren eine Wildnis und an den Obstbäumen und im Walde war kein Blatt zu sehen, schattenlos standen sie in der Sonne. In und vor Braunschweig waren Dächer und Fenster zu Tausenden beschädigt, aus allen grösseren Städten hatte man Dachdecker und Glaser geholt. Wochenlang standen die Häuser mit sackleinen verhangenen Fenstern, darunter auch das Schloss" (C.Bd.3, S29f).
Vor dem Wiederaufbau des Daches wurde der Turm nochmals 4 Meter höher gemauert und erlangte seine heutigen Proportionen, natürlich mit dem timmerlaher Wahrzeichen oben drauf. Doch auch dieser Wiederaufbau wurde von einem Unglück begleitet,„als Zimmermann Berger aus Sonnenberg vom Turm zunächst auf das Kirchendach und dann von dort auf die Erde fiel“ (ebenda, Bd.3., S.29) Ebenfalls 1899 wurde die alte Turmuhr durch ein neues mechanisches Uhrwerk der Fa. Weule aus Bockenem ersetzt. Die Arbeiten übernahm die Fa. Korfhage & Sohn aus Buer (Bez. Osnabrück).
"Gleichzeitig wurde mit der neuen Uhr ein Zeigerwerk an der Westseite des Turmes verbunden, um nicht wie bisher nur vom Gehör abhängig zu sein." D.h. 1899 war ein für die Kirche bedeutendes Jahr: Neuer, höherer Kirchturm, neues Uhrwerk und erstmalig ein optisches Zeigerwerk an der Turmwand.
Und wie urteilten die Fachleute insbesondere über die Zwiebelturmform?
"Professor Paul Jonas Meier, herzoglicher Museums-Inspektor schreibt in seinem Buch "Bau- und Kunstdenkmäler im Herzogtum Braunschweig" (1900): "Der Turm verunstaltet durch seine mächtige zwiebelförmige Haube von J.1799". Die Braunschweiger Nachrichten vom Dienstag, 23.März 1954 hingegen nennen ihn respktvoll "dan alterwürdigen Zwiebelturm" mit hohem Respekt." (Informationsblatt zur Ev.-luth. Kirche in Timmerlah, S.3)
"Was der Kirche sonst noch fehlt, ist eine Heizung, So wird man begreifen, dass es bei grosser Kalte keine Seltenheit ist, wenn der Geistliche und die Konfirmanden die einzigen Kirchenbesucher sind." (C.Bd.3.S.31) "Im Jahre 1905 wurde der Kirche, ein grosser schmiedeeiserner Leuchter geschenkt, der leider nicht den richtigen Platz fand."(S.31) "Neu vermalt wurde das Innere 19O8 nach den Angaben des Kirchenmalers Quensen vom verstorbenen Malermeister Behrens, der noch eine künstlerisch vorgebildete Kraft aus der Stadt zuzog. Einen herrlichen Eindruck machte das Gotteshaus, da die Farben - nicht grell und überladen - einen lichten, frohen und warmen Ton hatten.
Leider sollte die Freude nicht lange währen, denn schon im nächsten Jahre zeigten sich an der Nordseite zwischen Fussboden und Fensternischen starke Spuren von Feuchtigkeit. Die Flächen wurden von Jahr zu Jahr grösser; nach den Farben fiel der Verputz ab und die schadhaften Stellen verletzten nicht nur das Auge, sondern störten auch das Feierliche des Raumes. Im Sommer 1929 hat nach sachgemässer Beratung eine Abdichtung stattgefunden, die allem Anschein nach das Uebel beseitigt hat." (S.31f)
"Bei der Vermalung kam auch der alte Taufstein wieder zu Ehren, der früher im Eingang der Kirche, unter dem Turm unbenutzt und unbeachtet gestanden hatte. Er hat sicher ein hohes Alter, zumindest eine interessante Geschichte, da er vor langer Zeit mal in den Dom zu Braunschweig wanderte.
Weshalb ist hier nicht bekannt. Eine Rückgabe erfolgte erst nach Jahrzehnten, nachdem die Gemeinde ihr Eigentum reklamiert hatte." (S.32)
Zwei besondere Feiern in unserer Kirche waren sicher zum einen die 400 Jahrfeier zu Luthers Geburtstag 1883 und zum anderen der Besuch des Herzogs zu Mecklenburg, Regent von Braunschweig, Johann Albrecht, im Oktober 1913 zur Feier der 100 jährigen Wiederkehr der Leipziger Schlacht.
QAS
"In schwarzen Uniformen stand ehemalige soldatische Jugend am Altar und unter dem Kruzifix sah man das Bild : Gold gab ich für Eisen. Tannengrün und Eichenlaub zierten Emporen und Säulen, die Fahnen aller Vereine schmückten den Chor, Lichterglanz funkelte durch den Raum, der voll war von einer so grossen und andächtigen Menge, wie sie Timmerlah wohl noch nicht gesehen hatte. Draussen schufen Masten, Guirlanden und Fahnen ein festliches Kleid." (s.35f)
Am Ende der Feier wurde die links an der Kirchenfassade eingelassene Tafel feierlich enthüllt
und zeitnah wurden 13 Linden ringsum die Kirche sowie eine Vitis an den Turm gepflanzt (vgl.36)
Im Zuge der Elektrifizierung von Timmerlah 1914 endet das mehr als vierigjährige "Treten" der Blasebälge der Orgel. Die Kirche erhält einen "Kraftanschluss" und ein elektrisches Gebläse.
Aus heutiger Sicht "eine Anekdote am Rande" vermerkt Cramm (S.31) "... in falscher Sparsamkeit (an der auch ich schuld bin) versäumt, die Kirche gleichzeitig mit elektrischem Licht zu versehen."
Da es immer schwieriger wurde Glockenläuter zu einem vertretbaren Kostensatz zu bekommen, entschied sich der Kirchenvorstand, "... das Treten der Glocken durch eine Zugvorrichtung (Seil)
zu ersetzen, die ein Mann ohne grosse Anstrengung bedienen konnte und die von der Firma Ulrich aus Apolda im März 1914 ausgeführt wurde" (S.33f)
"Im Kriege musste 1917 die grosse Glocke abgegeben werden. Als man sie später durch eine Gussstahlglocke ersetzen wollte - Bronze war derzeit noch zu teuer - entschloss man sich, auch die kleine Glocke zu verkaufen und ein abgestimmtes Gussstahlgeläute anzuschaffen. Dieses wurde bei den Firmen Ulrich in Apolda und Weule in Bockenem in Auftrag gegeben und konnte am Gründonnerstag 1920 zum ersten Male gelautet werden."(S.34)
In Erinnerung an die im 1.Weltkrieg Verstorbenen fassten fast alle Orte, so auch Timmerlah, den Plan, ein Ehrenmal aufzustellen. Als Platz kam für alle nur der Kirchenvorplatz in Frage.
Am 14.8.1921 konnte die Weihe des uns bekannten Ehrenmals stattfinden, das damals noch mit einem Steinkreis umgeben war, der sich allerdings im Laufe der Zeit als unpraktisch erwies.
1935 ereilte die Kirche der erste grosse Schock im 20.Jahrhundert. Durch Blitzschlag mußte die Schieferdeckung des Zwiebelturms komplett erneuert werden. Doch aufgrund finanzieller Probleme war dies erst 1937 möglich.
Den 2. Schock erlitt die Kirche am 23.Mai 1944 durch eine Luftmine und mindestens eine Brandbombe. „Die Brandbombe landete im Dachstuhl der Kirche, wo ein Balken verkohlte, bevor der Brandsatz aber von alleine ausging. Die Explosion der Mine dagegen richtete schwere Schäden an. Neben den Fenstern wurde auch die Orgel zerstört. Das Dach wurde schwer beschädigt, ebenso die ganze Inneneinrichtung. Nachdem der Kirchenraum unbenutzbar geworden war, fanden kirchliche Handlungen viele Jahre lang im Turm statt." (.....)
"(...) später wurde im Gemeinderaum des Pfarrhauses Gottesdienst gehalten. Der große damals verwendete Abendmahltisch trug die Inschrift aus Jesaja 52.10 "Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, daß aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes".
1948 begann die Instandsetzung der Kirche, dabei wurden die Reste der seitlichen Emporen und die Bänke rechts und links vom Altar entfernt; ebenso wurde die vor der Sakristei hochgelegene Säulenkanzel nicht wieder aufgebaut, sondern durch das jetzige Kanzelpult ersetzt." (Informationsblatt zur Ev.-luth. Kirche in Timmerlah, S.1)
Leider wurde die Kirche viele Jahre den Witterungsbedingungen ausgesetzt bis sie in mehreren Bauabschnitten endgültig 1959 wieder hergestellt werden konnte.
Zur Erneuerung der Fenster des Chorraums schuf die Künstlerin Ingeborg Fabiunke Mitte der fünfziger Jahre den Bilderzyklus „Gottes Bund, Gabe und Aufgabe“
(Der Chor abends von aussen:)
aufgrund von vorgegebenen Bibelstellen durch den damaligen Pastor Georg Althaus:
"Fenster 1 (beginnend von links nach rechts): Nach der Sintflut dankt Noah knieend (1.Mose 8, 21.22 und 1. Mose 9,12).
Fenster 2: Abrahm ist mit seinem Sohn Issak auf dem Weg zur Opferung auf dem Berge (1.Mose, 22,6).
Fenster 3: Jesus wäscht Petrus die Füße (Joh.13).
Fenster 4: Die beiden winzigen Kupfermünzen der armen Witwe (Lukas 21, 1-4)/(MK 12,41 ff).
Fenster 5: Tabita, die Wohltäterin der armen Witwe, die einst für sie geschneidert hat, wird zum Leben erweckt. Sie zeigt ihre Gewänder, die "die Gazelle" angefertigt hat. Gazelle ist die Bedeutung des Namens "Tabita"." (Informatiosblatt zur Ev.-luth. Kirche in Timmerlah, S.2)
1959 wurde auch die von der Firma H.H. Blöß gebaute neue Orgel geweiht. "Sie wurde mit 17 Registern auf Hauptwerk, Pedalwerk und Rückpositiv konzipiert, wobei das Rückpositiv erst 1985 erstellt werden konnte." (Informationsblatt zur Ev.-luth. Kirche in Timmerlah, S.2)
1989 wurde eine erneute Sanierung der Schiefereindeckung des Zwiebelturms und der Wetterfahne durchgeführt, was nicht darüber hinweg tröstet, dass der Kirchturm weiterhin sanierungsbedürftig bleibt.
Deshalb stellte Pastor Welge am 13.9.1998 den Gottesdienst am damaligen Tag des offenen Denkmals (200 Jahre Zwiebelturmkirche Timmerlah) unter das Motto „Erbe annehmen, pflegen und erhalten, Erbe verpflichtet“, mit der Bitte, sich für die Sanierung des Kirchturms einzusetzen.
Dem Engagement einiger Bürger Timmerlahs ist es zu verdanken, dass die Spendenbereitschaft stieg und die Kollekten zunahmen. Kreativ waren ab 2000 auch die Bildkartenverkäufe. Im Februar 2002 die erlösende Mitteilung, dass das Geld für die Sanierung des Zwiebelturms bereit steht, wobei zwei Drittel der ca. 60.000 Euro von der Landeskirche übernommen wurden.
Die Hoffnung nach Abschlagen des Putzes auf ein schönes "Sichtmauerwerk" musste verworfen werden vor dem Hintergrund der vielen verbauten Bruchsteine sowie unterschiedlich großen Steinbrocken. Selbst die zum Vorschein gekommene desolate Klinkereinfassung des Kirchenportals und der drei kleinen Fenster mußte erneuert werden, wenn sie zukünftig die Fassade schmücken soll. Es wurden neue handgefertigte Steine hergestellt und verbaut, die von Gemeindemitgliedern gegen 25,-€ Spende nebst Urkunde erworben wurden.
In dem Zusammenhang mußten auch das Uhrwerk, der Zeigerantrieb und das Zifferblatt demontiert werden. Es zeigte sich, dass alle Teile einer dringenden Reparatur bedurften, u.a. war der Rahmen des Zifferblattes völlig verrostet. Hiervon hörte der Uhrenliebhaber Wolfgang Hertwig, und nahm sich des Problems an (weitergehende Informationen finden Sie unter www.timmerlah.de/....).
Am Pfingstsonntag (8.6.2003) präsentierte Pastor Welge der Gemeinde den fertig restaurierten Turm mit der “neuen” Uhr.
2007 wurden erneut Arbeiten im Kirchturm nötig, die von zunächst sechs, dann dreizehn Timmerlaher Bürgern ehrenamtlich durchgeführt wurden: Im Kirchturmdachgeschoss wurde ein neuer Fußboden verlegt, die Treppenstufen wurden neu belegt, die Glocken wurden entrostetet und gestrichen, die Elektrik wurde saniert und die schadhaften Wände wurden ausgebessert.
Anfang 2014 konnte endlich die alte desolate Heizung durch die neue Sockelheizung ersetzt werden.
In demselben Jahr wurde auch Dank des ausserordentlichen Engagements des nach Norwegen ausgewanderten Orgelbauers M. Becker, Sohn unserer Mitbürgerin Magret Becker, die Orgel überholt
Doch ist die Kirche damit saniert? Nein! Aktuell beschäftigt sich der Kirchenvorstand erneut mit mit einem undichten Dach(?), Rissen in den Wänden, was mindestens eine Innenrenovierung notwendig macht. Desweiteren ist geplant, die starren Sitzbänke gegen flexible Bestuhlung zu ersetzen.
Hoffen wir darauf, dass aktuellen Sanierungen (endlich) die erwünschten Erfolge bringen.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle, die Idee einzubringen, unser Wahrzeichen, zumindest den Zwiebelturm zu beleuchten und ihn so weit über unsere Grenzen sichtbar zu machen.
Dass dazu die Bäume in ihrer Höhe reduziert werden müßten, wäre so oder so sinnvoll, um mehr Sonnenlicht und weniger Feuchtigkeit an unsere Kirche zu lassen und sie so ebenfalls besser zu schützen.