Ass 22 Brandes
Hier dominierte 1772 Bernd Brandes und schon damals gehörte die Kl. Kothstelle No. 13 dazu. Da Söhne nicht da waren, heiratete Heinrich Voges (1820) vom gegenüber liegenden Vogeshof (11) ein. Er bekam mit dem Hofe eine prächtige Frau, Anne Dorothea, leider aber auch einen herrischen Schwiegervater, der sich das Kommando nicht nehmen lassen wollte und es seiner Tochter oft schwer machte, den Baum auf beiden Schultern zu tragen.
Von einem reichen Kindersegen blieben nur 3 Töchter und ein Sohn am Leben. Die älteste wurde 1851 Frau auf dem Stöterschen Hofe in Geitelde – heute Weule -, die andere heiratete 1858 nach Köchingen nachdem ihr Bräutigam, der Sohn von Brandeshofe No. 29 gestorben war. Sie kam auf Heinicken – Hof, so sie zeitlebens vorneweg musste, da ihr Mann ein guter und kluger Mensch, aber kein Bauer war. Sie hat immer durch Fleiss geglänzt. Erzählt man doch von ihr, dass auf der Zuckerfabrik am Hohen Tore keiner mit der Kiepe die Rüben so hätte abtragen können, wie Voges Binichen. Die Dritte ehelichte 1860 ihren Vetter und regierte an der Geburtsstätte ihres Vaters Fritz fand seine Gesponsin in Woltwiesche - Betty Burgdorff, die er 1866 heiratete. Der Großvater meiner Frau war ein stiller, bescheidener, nie rastender Mann, der hochbetagt das Unglück hatte, aus dem Fenster zu fallen, was dann sein Tod war.
Die Großmutter war, was Arbeít anbelangt, ganz die Tochter ihres Vaters, quä1te und schanzte, hatte aber im Wesen nichts mít ihm zu tun.
Dem Sohn Fritz schenkte und nahm der Himmel 3 Söhne, die alle jung starben. Eine nachgeborene Tochter aber blieb ihnen erhalten. Agnes war ihr Name.
Die Hofstelle eng, überall mit den Gebäuden auf der Grenze, und die Baulichkeiten nicht mehr der Zeit entsprechend, entschloss man sich zu bauen. In den Jahren 1885/86 wurde der Plan ausgeführt und stattlich erstand das Gewese, welches die No. 41 erhielt. Baustelle war die nördliche Ecke des kleinen westlichen Äckerstückes „hinter dem Ohlenhofe". Eine eigene Geschichte hat die Scheune des Hofes. Sie stammt vom alten Hofe No. 23, wo sie abgebrochen wurde, weil sie zum grössten Teil aus Eichenholz bestand. Ihr „Hollen” kündet, dass Johann Jakob Brandes und Ilse Sophie Brandes sie 1806 erbauten. Doppelt so gross erstand sie auf dem neuen Hofe, sollte sie erstehen, denn ehe sie fertig war, warf sie ein Gewittersturm um und machte einen Trümmerhaufen daraus. Schuld mit war eine Nachlässigkeit des Mauermeisters, der beim Wände einsetzen die Ostseite fertig gemacht hatte, während es üblich ist, ringsum die Wände gleichmässig zu schliessen.
1902 waren auf dem Hof traurige Weihnachten, man musste die treue Lebensgefährtin und liebe Mutter in kühle Erde betten.
Wenige Jahre später zur Herbstzeit, war Hochzeit im Haus, heiratete die Tochter den Landwirt Friedrich Wilhelm Cramm aus Gr. Lafferde. Die Geschichte Wiederholung ist, so auch Familiengeschichte. Hier wiederholte sich, das zur Zeit Johann Heinrich Voges oft den Frieden gestört hatte. Zwei harte Köpfe waren die beiden Männer, welche hier abgaben und annahmen. Den Cramms wurden 2 Kinder, Erika und Friedhelm geboren. Friedhelm – ein neuer Name, aus Friedrich und Wilhelm zusammen gezogen – den Vornamen der beiden Grossväter. Ihren Timmerlaher Grossvater erlöste ein plötzlicher aber sanfter Tod im Frühling des 3. Kriegsjahres. Mit ihm war ein Mann aus der Welt gegangen, der noch die alte Bauernzeit verkörperte. Er war ein guter Pflugmann, besonders aber ein unübertrefflicher Fahrer gewesen. Seine Pferde liebte er wie Kinder, holte aber an Ziehen das Letzte aus ihnen heraus. Fuhrleute dieser Art gibt es heute kaum noch. Lange Zeit war er im Gemeinderat, den Vorsteherposten hat er auch eine Periode bekleidet.
Der neue Besitzer machte den Krieg 1915 –17 als Landsturmmann mit. Während der Revolution und in der Nachkriegszeit wurde er in den politischen Wirbel mit gezogen, war zweimal Landtagsabgeordneter und wurde 1924 im Mai in den deutschen Reichstag gewählt – als zweiter
auf der Liste der Deutschen Volkspartei im 16. Wahlkreise. Dreimal hat er dort das Mandat ausgeübt und 1930, als im Herbst für den am 18.Juli 1930 aufgelösten Reichstag neu gewählt werden musste, auf eine Wiederwahl verzichtet. Er war ausserdem Mitbegründer des heutigen Braunschweigischen Landbundes, der sich zuerst nur eine Vertretung landwirtschaftlicher Arbeitgeber nannte und gehörte bis zum Herbst 1930 dessen Vorstand an. Weiter war er Mitglied der verfassungsgebenden Synode und ist bis heute Mitglied des Landeskirchentages, wie auch des Vorstandes des Evangelischen Landes Elternbundes seit dessen Bestehen. Als alter Soldat ist er auch Mitglied des Landeswehrvereins und seit 1912 dort 1. Vorsitzender. Dass sich der Besitzer so im öffentlichen Leben betätigen konnte, verdankte er nicht zuletzt seiner Frau, die von der Wirtschaft etwas verstand und sich auch um diese kümmerte. Sie war, trotzdem sie “ allein" gewesen war, als Kind bei allen Arbeiten gekommen, verstand mit Leuten umzugehen und liebte den überkommenen Besitz. Liebte aber auch ihre Mitmenschen und mit feinem fraulichen Empfínden hat sie die linke Hand nicht wissen lassen, was die rechte tat, ganz ein Erbteil ihrer Mutter, die mitleidig und woh1tätig, sanftmütig und friedfertig war. Dabeí aber doch ihren Willen durchsetzend, auch ihrem Manne gegenüber, der, so eigenwillig er oft war, ihr gerne folgte. Manches Wetter, das hie und da über den „Diensten" drohte, wenn Vater Voges die „Mütze schief" sass, hat sie gescheucht und ist wohl keiner, ob Junge, Knecht oder Mädchen aus dem Hause in andern Lohn gegangen, der seiner Herrin nicht ein gutes Andenken bewahrt hätte. Auch in unserer jungen Ehe und beim Ueberleiten der Herrschaft hat sie oft - oft gefehlt!